Mein Name ist Mario Reitze und ich bin Gesundheits- und Krankenpfleger in der Vitos Klinik Bad Wilhelmshöhe, einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Zudem bin ich Leitung der Tagesklinik und Leitung des Pflege- und Erziehungsdienstes dieser Klinik.
In meinem Berufsporträt möchte ich Ihnen die Besonderheiten der psychiatrischen Pflege in der Kinder- und Jugendpsychiatrie bei Vitos näher bringen. Ich beschreibe nachfolgend beispielhaft einen Arbeitstag des Pflege- und Erziehungsdienstes auf einer Station.
Ein typischer Arbeitstag – gibt es den überhaupt?
Der Beruf des Gesundheits- und Krankenpflegers ist sehr vielseitig. Ich arbeite in einem multiprofessionellen Team, bestehend aus Ärzten, Therapeuten, Pflegekräften und Erziehern. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie muss man sich immer wieder auf neue Herausforderungen einstellen und kein Tag ist wie der andere. Auch im Pflege- und Erziehungsdienst ist das Aufgabengebiet sehr facettenreich. Dennoch gibt es natürlich standardisierte Vorgehensweisen und eine feste Tagesstruktur.
Mein Tag beginnt damit, die Kinder und Jugendlichen zu wecken. Anschließend leite ich sie bei der Morgenhygiene an und unterstütze bei Bedarf auch. Unsere Kinder- und Jugendlichen sind zwischen vier und 18 Jahren alt. Gerade die Jüngeren brauchen beim morgendlichen Waschen und Zähneputzen noch etwas Unterstützung. Ich begleite auch das Frühstück und leite die anschließende Reflexionsgruppe. Wir setzen uns zusammen und die jungen Patienten erzählen mir, wie ihre Nacht war und was sie beschäftigt. Zudem besprechen wir gemeinsam, was den Tag über ansteht. Bei Bedarf biete ich Einzelgespräche an, etwa, wenn ein Patient ein Problem hat, welches er lieber unter vier Augen besprechen möchte.
Genauso zu meinen Aufgaben gehört es, die Kinder und Jugendlichen in lebenspraktischen Fähigkeiten zu trainieren, also beispielsweise die Küchenarbeit, die Zimmerreinigung, die Stationsdienste und den Umwelttag,zu erledigen. Der Umwelttag ist ein Therapieprogramm des Pflege- und Erziehungsdienstes und findet einmal die Woche statt. An diesem Tag sammeln wir zusammen mit den Kindern und Jugendlichen beispielsweise Müll auf dem Klinikgelände. Ich motiviere die jungen Patienten zur Teilnahme an der Schule und an den verschiedenen Therapieangeboten. Diese finden Vor- und Nachmittags statt. Zu den Therapieangeboten des Pflege- und Erziehungsdienstes gehören beispielsweise Bewegungs- und Entspannungsgruppen sowie Kreativ- und Gestaltungsgruppen. Genauso die Psychoedukation. Psychoedukation meint, dass wir als Behandlungsteam den Kindern und Jugendlichen und deren Eltern die psychische Erkrankung verständlich erklären. Nur so können sie aktiv bei der Therapie mitwirken, die von uns ergriffenen Maßnahmen nachvollziehen und Fertigkeiten zur Bewältigung der Erkrankung entwickeln.
Das Mittagessen wird ebenfalls von uns Pflegekräften begleitet. Anschließend steht das Konzentrationstraining inklusive Unterstützung bei den Hausaufgaben auf dem Plan. Abends begleite ich die Abendhygiene und das Zubettgehen. Dazu gehört auch, individuelle Abendrituale mit den Kindern und Jugendlichen zu entwickeln und umzusetzen. Der eine möchte gern etwas vorgelesen bekommen, der andere hört lieber ein Hörspiel.
Die Besonderheiten der Bezugspflege
Die Bezugspflege ist eine notwendige Organisationsform in der Psychiatrie. Jeweils zwei Pfleger und/oder Erzieher sowie ein Therapeut sind für ein sogenanntes Bezugskind zuständig. Die Ziele und Maßnahmen der Behandlung stimmen wir für jedes Kind und jeden Jugendlichen individuell ab. Die ergriffenen Maßnahmen evaluieren wir regelmäßig und passen die Behandlungspläne entsprechend an. Durchschnittlich bleiben unsere Patienten vier bis sechs Wochen bei uns.
Die Einbeziehung der Eltern oder der Erziehungsberechtigten in die Behandlung ist einer der Aspekte, der die Arbeit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie von der in der Erwachsenenpsychiatrie unterscheidet. Wir beteiligen uns regelmäßig an Familiengesprächen. Zusätzlich bieten wir Elterngruppen an. Unter anderem vermitteln wir den Eltern bei diesen Angeboten gemeinsam mit dem Therapeuten Fertigkeiten für den gemeinsamen Alltag mit dem psychisch erkrankten Kind oder dem Jugendlichen. Alle sechs Wochen gibt es zudem einen Eltern- und Kindnachmittag. In dieser ungezwungenen Atmosphäre können die Eltern mit uns ins Gespräch kommen, aber auch den Kontakt zu anderen Eltern suchen. Oft hilft es, sich mit anderen Betroffenen über die gemachten Erfahrungen auszutauschen.
Über die Freude und die Herausforderungen meines Berufs
Für mich ist die tägliche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen eine schöne Herausforderung. Meinen Job erlebe ich erfüllend und abwechslungsreich. Sonst wäre ich wohl auch nicht seit fast 30 Jahren dabei. Eine große Motivation, jeden Tag zur Arbeit zu gehen, ist die Dankbarkeit meiner jungen Patienten. Kinder und Jugendliche zeigen ihre Dankbarkeit mehr und direkter, als Erwachsene. Diese Erfahrung konnte ich in den vielen Jahren im Beruf immer wieder machen.
Gleichzeitig ist es natürlich nicht leicht, jeden Tag Zeuge der individuellen Schicksale der erkrankten Kinder und Jugendlichen zu sein. Um das alles nicht mit nach Hause zu nehmen, gibt es interne Supervisionen und Fallbesprechungen. Zudem hilft es, ein stabiles Umfeld zu haben. Sei es die Familie oder auch Freude. Ein Hobby ist ebenfalls gut geeignet, um nach einem fordernden Arbeitstag den Kopf freizubekommen.
Als Gesundheits- und Krankenpfleger arbeite ich im Dreischichtsystem. Selbstverständlich kann das manchmal zu Herausforderungen in der Organisation des Privatlebens führen. Umso mehr profitiere ich davon, dass Vitos nach dem audit berufundfamilie zertifiziert ist. Unterschiedliche familienfreundliche Angebote unterstützen uns Mitarbeiter dabei, Beruf und Privatleben in Einklang zu bringen. So zum Beispiel Arbeitszeitkonten, oder auch Betriebsvereinbarungen.
Ohne Selbstreflexion geht es nicht
Wer sich für den Beruf des Gesundheits- und Krankenpflegers in der Kinder- und Jugendpsychiatrie interessiert, muss kommunikativ und belastbar sein. Akzeptanz und Selbstreflexion sind ebenfalls essenziell. Zudem sollte man authentisch sein. Gerade Kinder merken schnell, wenn sich jemand verstellt. Eine entscheidende Fähigkeit ist es meiner Meinung nach, auf sich selbst Acht geben zu können. Nur, wer eine gute Selbstfürsorge betreibt, hat dauerhaft die Kraft und die innere Ruhe, unseren jungen Patienten die bestmögliche Behandlung zu bieten.
Bildquelle: Ilona Polk