Die Hockeygruppe der Vitos kinder- und jugendpsychiatrischen Tagesklinik Wetzlar
Mein Name ist Steven Werkmeister und ich bin Gesundheits- und Krankenpfleger in der Vitos kinder- und jugendpsychiatrischen Tagesklinik Wetzlar. Mein Kollege Manuel Ernst und ich haben gemeinsam eine Hockeygruppe ins Leben gerufen. Wie es dazu kam und warum der Teamsport für unsere jungen Patienten so wichtig ist, erfahren Sie hier.
Zurückfinden in einen geregelten Alltag
In unserer Vitos kinder- und jugendpsychiatrischen Tagesklinik Wetzlar behandeln wir Kinder und Jugendliche mit psychischen Erkrankungen und/oder Suchterkrankungen. Das Besondere an der Behandlung in einer psychiatrischen Tagesklinik ist, dass die jungen Patienten abends und an den Wochenenden nach Hause können. Sie kommen morgens um acht Uhr zu uns und verlassen die Klinik um 16 Uhr wieder. Im Gegensatz dazu übernachten Kinder und Jugendliche, die stationär behandelt werden, in der Klinik und bleiben auch übers Wochenende. Bei einer ambulanten psychiatrischen Behandlung hingegen, kommen die Patienten nur an bestimmten Terminen zu Therapiegesprächen in die Einrichtung. So viel vorab zur Abgrenzung der Begriffe.
Unsere jungen Patienten leiden an ganz unterschiedlichen psychischen Erkrankungen. Vor allem der Schulabsentismus, also das dauerhafte Fernbleiben vom Unterricht, ist ein Grund, warum die Kinder und Jugendlichen zu uns kommen. Hinter der Verweigerung des Schulbesuchs können verschiedene Gründe stecken. Einige Kinder haben, aufgrund ihrer Erfahrungen, schlimme Trennungsängste, andere sind depressiv, wieder andere werden in der Schule gemobbt. Die Kinder und Jugendlichen ziehen sich dann immer mehr zurück, wollen ihr Zimmer nicht mehr verlassen und vernachlässigen soziale Kontakte. In einigen Fällen kommt eine Mediensucht hinzu. Viele Kinder und Jugendliche flüchten sich in virtuelle Welten. Oft handelt es sich dabei um Online-Rollenspiele, aber auch soziale Netzwerke können süchtig machen. Doch es gibt auch die klassische Drogensucht. Nach ihrem Entzug (der in der Regel stationär erfolgt) kommen die Kinder und Jugendlichen zu uns, um wieder zurück in einen geregelten Alltag zu finden.
Raus aus dem Schneckenhaus
Unser Arbeitsalltag ist sehr abwechslungsreich. Wir begleiten die Kinder und Jugendlichen durch den Tag. Das beginnt mit dem gemeinsamen Frühstück. Anschließend bereiten wir sie für die Schule vor. Diese befindet sich auf unserem Gelände. Dort können die jungen Patienten, die oft schon lange keinen geregelten Schulalltag mehr hatten, sich langsam wieder an das Thema Schulunterricht herantasten. Zum Ende der Behandlung gehen sie dann meist wieder in ihre alten Schulen zurück.
Nach dem Unterricht steht das gemeinsame Mittagessen an. Am Nachmittag bieten wir den Kindern und Jugendlichen verschiedene Angebote der Freizeitgestaltung. Viele unserer Patienten haben teilweise über Jahre ihr Zimmer kaum verlassen. Sie haben oft gar keine Vorstellung davon, wie man seine Freizeit aktiv und gemeinsam mit anderen gestalten kann. Unsere Aufgabe ist es dann, sie aus ihrem Schneckenhaus heraus zu holen und ihnen zu zeigen, wie viel Spaß man gemeinsam mit anderen hat. Neben einer Freizeitgestaltungsgruppe gibt es auch verschiedene Sportangebote. Im Sommer spielen wir Fußball, Basketball oder Beachvolleyball mit den Kindern und Jugendlichen oder machen Touren mit dem Mountainbike. Bei schlechtem Wetter geht es ab in den Fitnessraum oder wir spielen in der Halle Ball. Sogar ein Trampolin steht bereit. Am beliebtesten ist allerdings unsere Hockeygruppe.
Darüber hinaus führen wir Einzelgespräche mit unseren jungen Patienten, aber auch mit deren Eltern. Genauso gehören Familiengespräche zur Behandlung. Abstimmungen mit der Schule oder dem Jugendamt fallen auch in unseren Aufgabenbereich.
Sport im Team ist eine wichtige Erfahrung für unsere Patienten
Nun aber zurück zum Hockey. Das gibt es bei uns bereits seit 2012. Damals fragten wir uns, welche Ausstattung wir für unseren Sportraum anschaffen sollten. Neben Bällen, Matten und Fitnessgeräten besorgten wir Floorballhockeyschläger und zwei Tore. Schnell zeigte sich, dass die Kinder und Jugendlichen am Hockeyspielen den meisten Spaß hatten. Mittlerweile bieten wir deshalb jeden Montag eine extra Hockeygruppe an.
Vor allem der Sport im Team ist eine wichtige Erfahrung für unsere Patienten. Wie bereits erwähnt, haben sich viele von ihnen sozial sehr zurückgezogen. Auch die körperliche Betätigung blieb auf der Strecke. Der Sport vermittelt ihnen ein Gefühl für ihren eigenen Körper. Im Team erfahren sie Anerkennung. Die Kinder und Jugendlichen loben sich gegenseitig und spornen sich an. Es entsteht ein Zusammenhalt, den viele junge Patienten so vorher nicht erlebt haben. Häufig bleiben die Kinder und Jugendlichen auch nach der Behandlung sportlich aktiv. Wir unterstützen sie dabei, indem wir uns schon vor ihrer Entlassung darum kümmern, mit ihnen gemeinsam einen passenden Sportverein zu finden. So steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie in ihrem Heimatort Anschluss zu Gleichaltrigen finden und nicht wieder in ihr altes Verhaltensmuster des sozialen Rückzugs verfallen.
Mächtig stolz auf ihr neues Outfit
Damit wir unseren jungen Patienten möglichst abwechslungsreiche Angebote machen können, haben wir ein gewisses Budget zur Verfügung. Das investieren wir dann zum Beispiel in neue Hockeymaterialien oder andere Sportgeräte. Zudem freuen wir uns immer sehr über Spenden. So kamen wir auch zu unseren schicken Hockey-Trikots. Im Mallorca-Urlaub traf ich zufällig den Besitzer eines hiesigen Sportgeschäfts (wie klein die Welt doch ist ) und wir kamen ins Gespräch. Er hatte großes Interesse an unserer Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen. Als ich ihm erzählte, dass sich unsere Hockeymannschaften lediglich anhand der Schlägerfarbe auseinanderhalten könnten, bot er uns direkt an, uns Hockeytrikots zu fertigen. Kurze Zeit später waren sie auch schon da. Unsere jungen Sportler haben sich sehr darüber gefreut. Nun sind sie beim Spiel auch für Außenstehende als Team zu erkennen. Außerdem macht sie ihr neues Outfit mächtig stolz.
Das positive Feedback unserer jungen Patienten ist die größte Motivation
Die Abwechslung ist es, die den Beruf des Gesundheits- und Krankenpflegers in der Kinder- und Jugendpsychiatrie für meinen Kollegen Manuel Ernst und mich so spannend macht. Wir können viel selbst gestalten und eigene Ideen einbringen. Unsere Stationsleitung lässt uns hierfür den nötigen Freiraum. Natürlich bringt der Job auch Herausforderungen mit sich. Nicht immer fällt es leicht, die nötige Distanz zu wahren. Manchmal gehen uns die Schicksale der Kinder und Jugendlichen besonders nah. Nicht alles emotional so nah an sich heranzulassen und nach Feierband abzuschalten, muss man lernen. Wir haben einen guten Zusammenhalt im Team, das hilft. Das positive Feedback unserer jungen Patienten spornt uns zusätzlich an. Wenn unsere Patienten uns am Tag der Entlassung zu verstehen geben, dass ihnen vor allem die Arbeit mit uns viel Positives gebracht hat und sie nun gestärkt und mit einer Perspektive nach Hause gehen, ist das der schönste Dank.