Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die regelmäßig pflegebedürftige Geschwister, Eltern oder Großeltern betreuen, brauchen mehr öffentliche Wahrnehmung, vor allem aber mehr Unterstützungsangebote im Alltag. Darauf einigten sich die Teilnehmer des von der AOK Nordost organisierten Fachtages „Kinder und Jugendliche in Pflegeverantwortung“, der am heutigen Montag in Berlin stattfand. Mehr als 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, darunter Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey und Dilek Kolat, Senatorin für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung in Berlin, tauschten sich intensiv zum Thema Junge Pflegende aus.
Zu wenig Angebote für Kinder und Jugendliche mit Pflegeverantwortung
Rund fünf Prozent der 12- bis 17-Jährigen in Deutschland sind regelmäßig in die Pflege von Angehörigen eingebunden. Sie helfen beim Anziehen, beim Kochen und Essen sowie auch bei der Medikamenteneinnahme oder beim Versorgen von Wunden. Die physischen und psychischen Herausforderungen im Pflegealltag machen diese Kinder und Jugendlichen zwar oft reifer, selbstständiger und familienorientierter. Gleichzeitig aber haben sie weniger Freizeit und zeigen in der Schule, der Ausbildung und an der Universität im Durchschnitt schlechtere Leistungen und können sich weniger konzentrieren. Zwar gibt es schon vorbildliche Hilfsangebote wie „Echt unersetzlich“, eine kostenlose Online-Beratung für junge Pflegende, und praktische Arbeitshilfen für Fachkräfte in der Pflege und Bildung durch von der Europäischen Union geförderte das EPYC-Projekt. Zum 1. Januar 2018 startete das Projekt „Pausentaste“ des Bundesfamilienministeriums. Doch während für Erwachsene, die Angehörige pflegen, mittlerweile auf ein breites Unterstützungs- und Betreuungsangebot zurückgreifen können, besteht bei Kindern und Jugendlichen mit Pflegeverantwortung noch Nachholbedarf.
Gemeinsames Positionspapier vorgestellt
In einem auf dem Fachtag vorgestellten Positionspapier der Alexianer St. Hedwig Kliniken Berlin, der Fachstelle für pflegende Angehörige Berlin, der Beratungsstelle „Pflege in Not“, der Interessenvertretung „Wir pflegen“, der Pflegestützpunkte Berlin und der AOK Pflege Akademie der AOK Nordost wurden Maßnahmen vorgestellt, die zu einer Verbesserung der Situation von jungen Pflegenden beitragen. So geht es darum, Verantwortliche in Schulen und in Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesen sowie der Jugendhilfe für dieses Thema stärker zu sensibilisieren. Auch der Medizinische Dienst der Krankenkassen und ambulante Pflegedienste sollen auf die Situation von jungen Pflegenden aufmerksam gemacht werden. Daneben sollen bestehende Entlastungsangebote gebündelt und leichter zugänglich gemacht und Möglichkeiten der Selbsthilfe bekannter gemacht werden.
Statements:
Dr. Franziska Giffey, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
„Einer meiner Leitsätze ist: Wir kümmern uns um die Kümmerer. Kinder und Jugendliche, die pflegen, sind ganz besondere Kümmerer. Sie brauchen Entlastung und Hilfe. Für sie haben wir das Projekt ‚Pausentaste – Wer anderen hilft, braucht manchmal selber Hilfe‘ mit der Website www.pausentaste.de gestartet. Hier können sie per Telefon oder E-Mail vertraulich ihre Gedanken, Sorgen und Ängste loswerden, hier können sie Rat einholen und Erfahrungen austauschen. Pflegende Kinder und Jugendliche müssen wissen, dass sie nicht allein sind.“
Dilek Kolat, Senatorin für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung in Berlin:
„In Berlin pflegen 11.500 Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren ihre Angehörigen. Sie müssen wir unterstützen, und deshalb haben wir in Berlin das Thema frühzeitig aufgegriffen. So ging 2017 die Website www.echt-unersetzlich.de an den Start, die Kindern und Jugendlichen eine anonyme Online-Beratung bietet. Wir haben im Landeshaushalt weitere Mittel für die Beratungsstelle eingestellt. In diesem Jahr wird die Berliner Strategie zur Unterstützung pflegender Angehöriger aufgelegt. Die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen hat darin einen festen Platz.“
Daniela Teichert, Mitglied der Geschäftsleitung der AOK Nordost:
„Kinder und Jugendliche, die regelmäßig Angehörige pflegen, stehen jeden Tag vor einer besonderen Herausforderung. Wir freuen uns, dass wir mit dem Fachtag in Berlin die Experten und Verantwortlichen zusammen bringen konnten, um so stärker auf die Situation und Bedürfnisse junger Pflegender aufmerksam zu machen und gleichzeitig bestehende und neue Unterstützungsmöglichkeiten zu diskutieren.“
Benjamin Salzmann, Fachstelle für pflegende Angehörige, Diakonisches Werk Berlin-Stadtmitte e.V. und Projektleiter EPYC:
„Unterstützung für junge pflegende Angehörige kann nur funktionieren, wenn wir auch LehrerInnen, SozialarbeiterInnen und Pflegekräfte sensibilisieren. Ihnen kommt eine wichtige Rolle zu: Sie können mit geschultem Wissen Betroffene erkennen und ihnen Hilfe zukommen lassen. Denn die wenigsten Jugendlichen würden von sich aus Hilfe suchen – selbst bei großer Belastung.“
Pressemitteilung der AOK Nordost
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