Gesundheits-Tipps für Krisenzeiten: 2 Haltbarkeit und Verfalldaten von Medikamenten

DISCLAIMER zu dem Text: siehe unten!

Mit den Verfalldaten der Medikamente scheint es ähnlich zu sein wie bei den Lebensmitteln: da gibt es welche, die fast religiös daran festhalten und die andern, die nicht glauben, dass das „Exp“ eine wichtige Bedeutung hat. Jetzt in Zeiten von Lieferproblemen und Mangelverwaltung, werden ziemlich sicher mehr Leute darüber nachdenken, ihre eventuellen Medikamentenvorräte zu Hause noch zu brauchen. Aber sollte / kann man das wirklich?

Erst Mal ein paar Fakten zum Verfall von Medikamenten:

Medikamente müssen ein Verfalldatum haben. Auch auf Verbandsmaterial, Inkontinenzprodukten, Stützbandagen und Spritzenmaterial findet sich das.
– Das Verfalldatum darf nicht mehr als 5 Jahre nach dem Herstellungsdatum sein.
– Das Verfalldatum findet sich auf der Packung hinter dem Kürzel EXP (kurz für Expiry Date).
– Bis zum Verfalldatum sind die Medikamente (wenn korrekt aufbewahrt) innerhalb der vorgegebenen Spezifikationen. Sie enthalten die Wirkstoffe in der angegebenen Dosierung. Das wurde ausgiebig getestet und die Firma garantiert und haftet.
– Wirkstoffe können sich mit der Zeit verändern. Sie werden zu anderen Stoffen umgebaut. Diese können unwirksam sein, aber theoretisch auch giftig!
Feuchtigkeit und Licht und höhere Temperaturen beschleunigen diesen Ab- und Umbau. Das Badezimmer ist deshalb ein ungeeigneter Ort, wenn man Medikamente lagern will.
– Ein Medikament wird weder sofort unwirksam noch giftig direkt nach dem Überschreiten des Verfalldatums. Das ist ein Prozess.
– gerade bei festen Arzneimitteln (Tabletten) weiss man, dass sie noch lange, wahrscheinlich Jahre über das offizielle Verfalldatum hinaus noch gut sind.
– Die Lagertemperatur der meisten Medikamente ist die Raumtemperatur, also 15 bis 25 (oder 30) Grad Celsius. Darüber hinaus gehen sie sehr schnell kaputt. Im Kühlschrank ist aber ebenfalls meist schlecht: da ziehen sie schneller Feuchtigkeit und Flüssige Arzneimittel könnten Wirkstoffe auskristallisieren. Tiefkühlen ist meist ganz schlecht.

Und nun zur Frage, die sich wahrscheinlich jeder anhand eines überschrittenen Verfalldatums mal gestellt hat:

Kann ich das noch verwenden?

Rechtlich gesehen, muss ich in der Apotheke dazu raten, abgelaufene Medikamente nicht mehr zu verwenden. Das wäre korrekt und sicher.

Aber wir sind hier nicht in der Apotheke, also … hier meine Ratschläge zur Anwendung. Es ist immer eine Nutzen-Risiko-Abschätzung! Also: Was kann passieren, wenn ich es nehme, gegen: was passiert, wenn ich es nicht nehme?

Wenn das Medikament abgelaufen ist – und du kannst es ersetzen, dann mach das. Besorg dir eine neue Packung in der Apotheke, beim Arzt, wegen mir auch in der Online Apotheke.

Wenn Du das Medikament nicht ersetzen kannst und die Anwendung jetzt notwendig ist: Wie sicher muss es wirken? abgelaufene Medikamente können weniger Wirkstoff enthalten. Es ist nicht so schlimm, wenn die Kopfwehtablette etwas weniger Wirkstoff enthält, die Wirkung vom Blutdruckmedikament kann man mit dem Messgerät überprüfen, vom Antihistaminikum gegen die Allergie kann ich zwei nehmen, ohne dass das Probleme macht. Das Immunsupprimierende Mittel aber MUSS wirken und da geht selbst eine geringe Abnahme des Wirkstoffes gar nicht. Ebensowenig wie bei Antiepileptika und auch Schilddrüsenmedikamenten.

Ist es ein Antibiotikum? Nimm es nicht! Nicht nur ist die noch enthaltene Wirkstoffmenge unsicher, hier gibt es auch eher unangenehme Abbaustoffe. Und überhaupt: wie sicher bist du, dass das das richtige Antibiotikum für die jetzige Situation ist?

Ist das Medikament flüssig? Saft, Sirup, Nasensprays, Inhalationslösungen, Augentropfen, Fertigspritzen, Tinkturen, Lösungen etc.
Wenn ja UND es ist früher geöffnet worden: Weg damit! Zubereitete Suspensionen wie Antibiotikasirupe sind nur wenige Tage haltbar. konservierte Augentropfen nach dem Öffnen nur 30 Tage (und du hast nur 2 Augen!). Die meisten flüssigen Sachen sonst kann man bis 6 Monate nach dem Öffnen brauchen. Ausnahmen sind vielleicht sehr alkoholhaltige Lösungen, die noch etwas länger gut sind.
Ist es nach dem Verfall, wäre ich auch bei ungeöffneten Sachen sehr vorsichtig, da Flüssigkeiten rascher abbauen, als die festen. Maximal ein paar Monate drüber und auch nur wenn da kein Bodensatz, Verfärbung, sichtbare Schwebestoffe oder Trübung vorhanden ist.

Ist es eine Salbe oder Zäpfchen? Auch hier gilt, dass sie nach dem Öffnen und der ersten Anwendung nur begrenzt haltbar sind. Aber auch ungeöffnet und über dem Verfall geben sie, wie die flüssigen Mittel, rasch ab. Ausser dem Wirkstoffumbau kann hier die Grundlage ranzig werden, was man ziemlich schnell riecht. Trennt sich die Salbe oder das Zäpfchen und scheidet Wasser ab, ist verfärbt oder gar Pilzverfall sichtbar, würde ich sie wegwerfen, egal ob verfallen oder nicht.

Handelt es sich um Tabletten, Dragees oder Kapseln? Hier hat man gute Chancen, dass sie noch zu brauchen sind. Schau sie dir an: Wenn sie Verfärbungen haben, Risse oder sie Bröckeln, dann nimm sie nicht mehr. Wenn sie arg anders riechen als sonst, würde ich auch darauf verzichten. Ansonsten kann man sie nehmen, auch wenn sie schon Monate oder vielleicht Jahre abgelaufen ist. Mehr als 5 Jahre drüber würde ich aber auch hier nicht empfehlen. Die Packung kann man ziemlich sicher noch beenden. Das sollte einem genug Zeit verschaffen, sich eine neue Packung oder Ersatz zu besorgen.

Verbandmaterial / Inkontinenzprodukte, Verbrauchsmaterial: Wenn es nicht steril sein muss, kann man das Verfalldatum hier getrost ignorieren und danach gehen, wie es aussieht.

Also Fazit: Offiziell empfehlen kann ich eine Einnahme nach dem Verfall nicht. Trotzdem kann man einiges (vor allem in Tablettenform) sehr viel länger als das Verfalldatum anwenden. Aber es ist immer eine individuelle Risikoabschätzung und jeder ist für eventuelle Folgen selber verantwortlich.

Disclaimer: Dies sind Tipps zu Gesundheitsthemen, gegeben von einer Apothekerin. Die medizinischen Informationen, die hier geäussert werden, dienen der Diskussion und Unterhaltung. Sie sollte nicht als einzige Informationsquelle für medizinischen Rat verwendet werden. Wer die im Blog oder den Kommentaren geäusserten Ratschläge verwendet, ohne einen Arzt oder andere Fachperson aufgesucht zu haben, ist selbst voll verantwortlich für die Konsequenzen.

Mit den hier gegebenen Informationen, bekommt ihr Hilfestellung: Was kann man selber behandeln, was kann ich nehmen, was für Hilfe bekommt man in der Apotheke? Was gehört zum Arzt? Wann sollte man (auch jetzt, bei ev. stark belastetem System) in den Notfall? Normalisiert sich die Situation wieder, erübrigen sich viele dieser Tipps, respektive, dann gibt es teils bessere „Best Practice“ Vorgehensweisen. Die hier empfohlenen Massnahmen sollten wirksam sein und korrekt umgesetzt ungefährlich. Im Zweifel fragt man die Fachperson!