„Was haben Sie angestelltt?“ frage ich.
Der Patient schüttelt den Kopf.
„…Ich weiß es nicht!“ sagt er.
Er ist gertenschlank, Ende fünfzig, hat schütteres, graues, schulterlanges Haar und trägt einen gepflegten Vollbart. Dazu Nickelbrille, dunkler Rollkragenpullover und Cordsakko – ich frage ihn nicht nach seinem Beruf, bin mir aber fast sicher dass es sich nur um einen Studienrat für Deutsch und Geschichte handeln kann. Oder vielleicht auch Sozialkunde. Aber auf jeden Fall Studienrat. Und gehört damit nicht unbedingt zu unserer typische Klientel, die nachts zu vorgerückter Stunde in unserer Notaufnahme ihre Aufwartung macht.
Jedenfalls ist er knallrot im Gesicht und sein ganzer Körper ist mit einem juckenden Ausschlag bedeckt.
„Sind Sie gegen irgendwas allergisch?“ frage ich.
Er schüttelt abermals den Kopf.
Na offenbar doch, denke ich, lege ihm einen venösen Zugang und spritze erst einmal eine ordentliche Dosis Cortison und Fenistil.
„Heute Nachmittag hat es schon angefangen,“ berichtet er, „da war es aber noch nicht so schlimm, also bin ich erstmal nicht zum Doktor gegangen… aber dann wurde es nicht besser… und jetzt ist es fast nicht mehr auszuhalten…“
„Haben Sie irgend etwas genommen? Medikamente? Antibiotika oder so?“
Er schüttelt den Kopf.
„Ich halte nicht viel von Pillen…“ sagt er.
„Wirklich nicht?“
„…naja, nur ab und zu halt etwas Pflanzliches!“
Also doch!
„Was denn genau?“
„…heute früh hatte ich Kopfschmerzen. Ich wollte ja nichts nehmen, aber meine Frau hatte noch diese Ayurveda-Tabletten…“
Aha.
Ich glaube, damit hätten wir unsere Diagnose gefunden.
Merke: Ayurveda-Medikamente sind nicht immer so harmlos wie sie ausschauen. Und längst nicht immer handelt es sich um pflanzliche Präparate. Bei aus Indien importierten Präparaten weiß man oft nicht, was drin ist und Verunreinigungen mit Schwermetallen – Arsen oder Quecksilber – sind nicht selten.
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