Kurz

Er kam aus einer anderen Stadt. War an der Endhaltestelle aus der S-Bahn aufgelesen worden. Kam mit dem RTW in die Ambulanz. Kein Name, keine Papiere, nicht fähig Auskunft zu geben. Ende zwanzig vielleicht, aber greisenhaft ausgemergelt, abgemagert, schwach und stinkend dreckig. Im Geldbeutel ein Terminzettel einer Arztpraxis, Methadonprogramm. Ein Drogensüchtiger.

Drogies will niemand im Krankenhaus. Sie fordern von Ärzten und Schwestern Beruhigungsmittel von der starken Sorte. Klauen sie dann aus dem Medikamentenschrank. Machen sich dann aus dem Staub, wenn sie die Handtaschen der Omis durchwühlt und die ganze Station in Aufruhr versetzt haben. Doch diesen kann der Arzt nicht wegschicken.

Verlaust, verdreckt, vielleicht HIV-positiv? Nicht mal stehfähig, kurzatmig. Beim Husten schwallartig Eiteriges. Aber kein Fieber.

Zum Glück gibt es auch in diesem Krankenhaus beherzte Schwestern, die sich nicht zu schade sind, so jemanden erstmal zu baden, zu waschen, zu entlausen.

Danach die Aufnahme-Untersuchung am sauberen Bett, sauberer, rasierter Patient in weißen Laken: Als er sich aufsetzen soll setzt die Atmung aus, der Puls auch. Neurologische Reaktionen komplett weg. Ganz plötzlich alles auf Null. Vollständig. Und unumkehrbar: Alle Reanimationsbemühungen, mit Anästhesisten, auf Intensivstation, eine Stunde lang, alles umsonst. Keine QRS-Zacke, kein eigener Atemzug, keinerlei Pupillenreaktion. Ungewöhnlich, daß jemand so schnell so tot sein kann. Selbst alte, herzschwache Patienten zeigen doch hin und wieder kleine Herzaktionen oder Bewegungen während einer Reanimation. Hier: Nichts.

Das schnelle Ende eines kurzen Lebens.

Die Obduktion ergab nichts ausser einer Lungenentzündung bei einem stark reduzierten Allgemeinzustand.

Die Angehörigen wurden erst Tage später von der Polizei aufgetan. Sie hatten keine Fragen.

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