Gastbeitrag: Von nervigen Fragen II

Jupiterimages/Pixland

 Neben der Frage, welches spätere Fachgebiet wir denn wählen möchten, gibt es noch eine weitere, mit der unsere nicht-medizinische Umgebung absolut ins Fettnäpfchen treten kann. Bei Freunden, auf Klassentreffen, am Telefon, auf Partys, wo man (glücklicherweise) auch Nicht-Mediziner trifft, heißt es beispielsweise:
“Hey, könntest Du wissen, was ich eventuell habe? …

… Bei schlechtem Wetter juckts im linken großen Zeh und bei gutem juckts am rechten und manchmal hab ich so Schmerzen, da ziehts ganz vom Ohrläppchen bis in die Kniekehle.” Ohne Frage, unser Gegenüber fühlt sich schwer krank!!

Ja, na und?! Warum muss ich das wissen?! Hey, ich studiere erst Medizin und bin noch kein Facharzt für Ohr- und Fußkrankheiten! Aber es zeigt nebenbei, was in der Zukunft auf uns zukommt: Dass man als Mediziner nie, aber wirklich NIE Feierabend hat, sondern sich immer um die Wehwehchen der näheren Umgebung kümmern muss!! (Und damit meine ich nicht die Notfälle, die ja auch immer mal wieder passieren können…)

Sei es die hüftarthrotische Großtante, die mit der Diagnose ihres Orthopäden unzufrieden ist, sei es der Nachbar, der seine antihypertensive Medikation modifiziert (”Kann ich statt Beta- auch alpha-Blocker nehmen? Die machen wenigstens Priapismus und keine Impotenz!”) und dafür unsere Absolution haben will, der Fensterputzer in einem Odenwälder Dorf-Café, der uns seine Krankengeschichte einer Neurofibromatose erzählt (”Aber Tilidin bekomme ich, so viel ich will!”), oder der Klempner, der beim Spülkasten-Wechsel seelenruhig von seinem CTS und seinen Feigwarzen erzählt, während man auf die Uhr guckt, ob man zum nächsten Seminar noch rechtzeitig kommen wird?

Während man zu Zeiten des Präpkurses noch ein Auge für die Pathologien der Umwelt hat – die dicke Frau mit dem Hallux valgus in der Straßenbahn zum Beispiel, das schrecklich schielende Mädchen morgens beim Bäcker oder das anämische Magersüchtel auf dem Fahrrad, ist man in den klinischen Semestern schon abgeklärter.
Denn sagen lässt sich unser Gegenüber ja auch nichts. Da hilft es wenig, dass wir auf die Kardioprotektive Wirkung von Betablockern hinweisen, wenn der Priapismus von alpha-Blockern doch viel angenehmer ist als die Impotenz.
Da hilft es genauso wenig, die Pathogenese der Hüftarthose zum 100. Mal zu erklären, letztendlich ist es doch wieder ‘der Muskel’, der so zieht.
Und helfen kann man dem Odenwälder Fensterputzer ja auch nicht, was bringt es also, dass er seine komplette Krankengeschichte erzählt, während man sich im Café von der Famulatur erholen will? Und der Klempner, dessen CTS sowieso schon operativ behoben wurde?? Warum ziehen sich diese Menschen verbal vor uns aus? Die Feigwarzen müssen wir wirklich nicht hören, geschweige denn sehen…

Denn erstens sind wir sowieso noch keine fertigen Ärzte und zweitens ließe sich sowieso niemand etwas von uns sagen, der seine vorgefasste Meinung bestätigt wissen will…
Daher, ihr Nicht-Mediziner: Geht mit diesen Fragen doch bitte bitte zu eurem HAUSARZT!!!!

 

Victoria aus Heidelberg

Übrigens, den ersten Teil “nervige Fragen” findet ihr hier:

Von nervigen Fragen und fehlenden Antworten

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *