“Achim Hauff (Name geändert) erinnert sich mit Grauen an die Schreie seiner Patienten, die bis Ende der neunziger Jahre bei jeder Endoskopie durch seine Praxis hallten”, schreibt die Stuttgarter Zeitung auf ihrer Medizin-Seite am 10. März. Dass der Münchner Gastroenterologe nicht mit richtigem Namen genannt werden will, kann ich verstehen, auch wenn der Artikel in der Zeitung der Baden-Württembergischen Landeshauptstadt erschienen ist.
Das könnte sich auch bis München herumsprechen – und dann wäre die Praxis vielleicht nicht mehr gut besucht, auch wenn das Ganze 10 Jahre her ist und die Darmspiegelungen nach diesem Artikel zu 90 Prozent heute mit Propofol durchgeführt werden und nicht mehr nur mit dem Kurzhypnotikum Midazolam.
Anlass für den Artikel ist der Hinweis, dass sich Gastroenterologen und Anästhesisten im letzten Jahr mehrmals zusammengesetzt hätten, um Leitlinien zum Sedieren von Patienten (in Halbschlaf versetzen) zu erarbeiten. Denn Propofol kann gefährliche Nebenwirkungen hervorrufen – die Patienten sollten während der Kurznarkose ausreichend überwacht und vor allem im Notfall beatmet werden können. Doch letzteres bedeute mehr Personal und werde aus Kostengründen wohl selbst in Krankenhäusern nicht umgesetzt.
Nun gibt es in diesem Artikel zwei Aspekte, denen man sich widmen könnte – der Darmspiegelung an sich und dem Umgang mit Hypnotika oder Lokalanästhetika. Heute bleibe ich bei ersterem. Der Artikel wird leider auch Nebenwirkungen hervorrufen haben: Ob sich ein Patient nach der Lektüre noch zur Darmspiegelung traut, wenn er keinen akuten Anlass sieht, würde ich bezweifeln. Von schreienden Patienten, die sich heftig gegen die Untersuchung gewehrt hätten früher, ist die Rede. Dass sie zu zweit festgehalten werden mussten und sich nur durch die Midazolam-Wirkung hinterher an nichts mehr erinnern konnten. Denn Midazolam wirkt nur sedierend, nicht schmerzlindernd.
Das Merkwürdige ist, dass ich von 1995 bis 1996 ein Jahr meiner Arzt im Praktikum-Zeit in einer gastroenterologischen Praxis in Berlin verbracht habe und bei vielen Darmspiegelungen assistiert habe. Wie hat das mein Chef damals nur gemacht? Ich meine mich zu erinnern, dass er zusätzlich zum Kurzhypnotikum ein Schmerzmittel gespritzt hat. Ich werde ihn fragen, sobald ich nach Berlin komme. Denn nicht ein einziges Mal habe ich dort einen Patienten schreien hören, nie habe ich jemanden festhalten müssen und gestöhnt haben die Patienten auch nur insofern, als das fast reflexartig wegen des hohen Drucks im Bauch geschieht. Ich habe auch keine Schreie durch die Türen gehört (die nicht schalldicht waren) – ich war ja nicht ständig bei den Koloskopien dabei.
Und vor Kurzem (bevor der Artikel erschienen ist ) habe ich selbst eine Darmspiegelung über mich ergehen lassen. Nö, ich bin noch keine 60 Jahre alt (ab diesem Alter wird die erste Vorsorge-Spiegelung empfohlen) – doch habe ich einen ganz nahen Verwandten an Darmkrebs verloren. Da ich kein großes Vertrauen gegenüber jeglicher Art von Schmerzmittel und Hypnotika habe (wegen der Nebenwirkungen), wollte ich keine “Spritze” haben. Es war sehr gut auszuhalten und wer auch beim Zahnarzt in der Regel ohne Spritze auskommt, kann das durchaus wagen. Sicher ist das Schmerzempfinden unterschiedlich und ich kann mir auch schönere Dinge als eine Darmspiegelung vorstellen, doch die Horroruntersuchung war es nicht.
Allerdings braucht es dazu natürlich auch Ärztinnen und Ärzte, die das richtig gut können. Und dahin führt nur Übung. Vielleicht dann eben doch an sedierten (und analgesierten) Patienten. Nur 10 Prozent ließen die Untersuchung ohne Dämmerschlaf über sich ergehen. Der Vorteil ist, anschließend ohne Matschbirne gleich heimgehen zu können
Aber der Arzt hat mich auch mehrmals gefragt, ob ich sicher sei und dass das nur sehr wenige Patienten machen würden. Nun ließ ich mir natürlich versichern, dass ich noch sediert werden könnte, wenn ich es nicht aushalten würde. Das weiß man ja vorher nicht. Doch wenn ich als Unbedarfter in einem Artikel lese, dass ich unter Umständen festgehalten werde und mich hinterher daran nicht mehr erinnern kann, bin ich mir nicht sooo sicher, ob das wirklich der Aufklärung dient. Der Artikel wäre besser im Ärzteblatt aufgehoben gewesen, wo man sicherlich die Überwachungsmaßnahmen und eventuelle Leitlinien zur Sedierung von Patienten erörtern sollte.
(Uli)