Diagnose: Kartentricks

Von Dr. med. Bernd Hontschik

Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, über die ist eigentlich alles gesagt. Da können sie schon mal aus dem öffentlichen Blickfeld geraten. Genau das geschieht zurzeit mit der elektronischen Gesundheitskarte.

Mehrere Ärztetage haben die elektronische Gesundheitskarte mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Natürlich haben Ärzte nichts gegen die Dokumentation von Notfalldaten. Dafür braucht man aber keine Speicherung sämtlicher Krankheitsdaten der gesamten Bevölkerung auf zentralen Servern, dem unberechtigten Zugriff von professionellen Hackern ausgeliefert. Diese Daten könnte sich vielmehr jeder Versicherte selbst auf seiner Karte speichern – offline. Natürlich haben Ärzte nichts dagegen, den Missbrauch mit der bisherigen Chipkarte einzudämmen, der die Versichertengemeinschaft jedes Jahr wenige Millionen Euro kostet. Dafür braucht man aber keinen Rund-um-die-Uhr-Online-Zugriff über das Internet für viele Milliarden Euro aufzubauen. Natürlich haben Ärzte nichts dagegen, die Kommunikation zwischen den verschiedenen Heilberufen ambulant und stationär zu modernisieren. Dafür braucht man aber keinen „gläsernen Patienten“ in zentralen Mammutservern, sondern ein einfaches Point-to-Point-Netzwerk wäre die preiswerte und sichere Lösung.

Diese elektronische Gesundheitskarte hat mit Gesundheit nichts zu tun. Es handelt sich schlicht um einen riesigen Auftrag für die IT-Industrie. Die FDP hat vor den letzten Bundestagswahlen ein Moratorium der Gesundheitskarte versprochen. Kaum an der Macht, vollzog Philipp Rösler genau das Gegenteil. Mit einem infamen Gesetz, vorbei an Ärztetagsvoten, unter Missachtung der Warnungen der Krankenkassen und der vernichtenden Kommentare von Online-Spezialisten werden die Kassen mit diesem Gesetz gezwungen, bis zum Herbst 2011 mindestens zehn Prozent ihrer Mitglieder mit elektronischen Gesundheitskarten auszustatten. Tun sie das nicht, so erhalten Sie eine empfindlich geringere Zuweisung aus dem Gesundheitsfonds. Das ist Erpressung.

Da bleibt nur noch Galgenhumor: Wenn ihr Pizzabäcker Ihnen demnächst auf Ihre Bestellung „mit besonders viel Käse“ antworten wird, dass Ihre Blutfette sowieso schon im kritischen Bereich seien und Ihnen eine mit Soja und Joghurt empfiehlt, das hätten Sie doch letzte Woche auch im Supermarkt gekauft, und Ihnen außerdem die Gratis-Softdrinks verweigert, weil Sie Diabetiker sind, und auf Barzahlung besteht, weil Ihr Konto überzogen ist, spätestens dann wissen Sie: Der Widerstand war wohl doch nicht groß genug.

Weiterlesen: www.die-krankheitskarte.de

Quelle: Diagnose: Kartentricks | Wissenschaft - Frankfurter Rundschau
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors

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