Ramadan und Medikationsprobleme (Rerun)

Ramadan ist der 9. Monat des islamischen Mondkalenders. Weil der Mondkalender 10 Tage kürzer ist als der Gregorianische Kalender ist Ramadan jedes Jahr 10 Tage früher. Jetzt und in den nächsten Jahren fällt Ramadan direkt in den Sommer in der nördlichen Hemisphäre. 2011 war der erste August der Beginn, dieses Jahr (2015) fängt er am 18. Juni an.

Gläubige Muslime sollen während dem Ramadan fasten. Das bedeutet in dem Fall, dass sie zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang nichts essen und nichts trinken dürfen. Fällt Ramadan in den Sommer bedeutet das auch, dass man länger fasten muss – zwischen 16-20 Stunden, weil wir länger Tageslicht haben. Nach Sonnenuntergang wird dafür um so mehr gegessen und dann auch wieder vor Sonnenaufgang. Der Tagesrhythmus wird also praktisch umgekehrt und statt 3 Hauptmahlzeiten gibt es nur noch 2.

Fasten bedeutet: Kein Essen, kein Trinken, keine oralen Medikamente und keine Injektionen von Flüssigkeiten mit Nährwert.

Das Fasten ist obligatorisch für alle Muslime – ausgenommen sind:

  • Kinder vor der Pubertät
  • Ältere Menschen
  • Chronisch Kranke oder solche, die regelmässig Medikamente nehmen müssen

Zeitweilig ausgeschlossen vom Fasten müssen sind auch:

  • Schwangere und Stillende – wenn das Fasten einen negativen Einfluss auf Mutter und Kind hat
  • Solche, die lange Distanzen reisen müssen
  • Menstruierende Frauen
  • diese sollten dann aber das Fasten zu einem späteren Zeitpunkt nachholen.

Obwohl Kranke und solche mit Dauermedikation eigentlich ausgeschlossen sind, gibt es unter diesen welche die das Fasten trotzdem durchführen möchten und deshalb nicht mehr ihren Medikationsplan einhalten – was zu therapeutischem Versagen führen kann.

Aslam et al  hat eine Untersuchung zu dem Thema gemacht um zu sehen, was für einen Einfluss der Ramadan auf das Folgen des Therapieplans hat.
Sie fanden, dass von 81 Muslimischen Patienten 42% ihrem normalen Medikationsplan treu blieben, 58% wechselten ihr Einnahmeschema. Unter der 2. Gruppe stoppten 35 Patienten ihre Behandlung ganz, 8 änderten das Einnahmeschema und 4 nahmen alle ihre täglich einzunehmenden Medikamente abends aufs Mal ein.

Als Apotheker sollte man im Kopf behalten, dass es teilweise alternative Dosierungen oder Dosierungsschemen gibt – und Ärzte und Patienten entsprechen instruieren.

Es gibt Anwendungsformen die mit dem Fasten kompatibel sind.
Ein religiöses Seminar das 2007 in Morokko abgehalten wurde wollte da Klarheit schaffen. Die Teilnehmenden waren Muslimische Juristen, Religionsexperten, Ärzte und Pharmakologen. (Recommendations of the 9th Fiqh-Medical seminar “An Islamic View of Certain Contemporary Medical Issues,” Casablanca, Morocco, 14-17 June 1997)

Diese waren damit einverstanden, dass die folgenden Anwendungsformen/-wege das Fasten nicht beeinflussen:

  • Augen und Ohrentropfen
  • Alle Substanzen, die in den Körper via Haut aufgenommen werden, wie Cremen, Salben und medizinische Pflaster
  • Formen, die vaginal angewendet werden: Ovula, Vaginaltabletten, Vaginale Waschungen
  • Injektionen durch die Haut, in Muskel, Gelenke oder Venen – mit der Ausnahmen von intravenöser Ernährung.
  • Sauerstoff und Gase zur Anästhesie
  • Nitroglycerin Tabletten oder –Sprays, die unter die Zunge gegeben werden für die Behandlung von Angina pectoris
  • Mundspülungen, Mundsprays – vorausgesetzt sie werden nicht geschluckt.

Eine Mehrheit der Teilnehmer des Meetings fügten dem noch hinzu:

  • Nasentropfen, Nasensprays und Inhalationen
  • Klistiere
  • Operationen, die Allgemeinanästhesie benötigen, wenn der Patient sich entschieden hat zu fasten

Manche Dosierungschemen müssen während dem Ramadan geändert werden weil die Medikamente nur während Sonnenauf- und Untergang genommen werden können.

Einige Vorschläge wären:

  • wenn Antibiotika 3 bis 4 mal täglich verschrieben werden, sollte eine Alternative gesucht werden, die 1x oder 2x täglich genommen werden kann.
  • Wo möglich nimmt man Medikamente die sowieso nur ein- oder 2 x täglich genommen werden müssen – oder entsprechende langwirksame Formen
  • Diuretika: die Dosis muss erniedrigt werden um Dehydration vorzubeugen

Leute mit Diabetes die Fasten haben eine höhere Chance auf Nebenwirkungen und die Risiken steigen mit längeren Fastenperioden. Laut einer Studie in Muslimischen Ländern zeigte sich, dass 43% der Patienten mit Typ1 Diabetes und 79% mit Typ2 Diabetes während dem Ramadan fasten.

Diabetiker deren Diabetes unter Kontrolle ist, sollten dazu angehalten werden, während den Zeiten, wo das Essen erlaubt ist, das auch ausgiebig zu tun.

  • Die Diabetes Patienten, die kein Insulin brauchen, sollten mit ihrem Arzt Rücksprache nehmen vor dem Fasten – aber wenn sie fasten, sollten sie ihren Blutzucker regelmässig kontrollieren und das Fasten brechen, wenn die Blutzuckerwerte zu niedrig fallen.
  • Die Diabetes Patienten, die Insulin brauchen, sind angewiesen nicht zu fasten – aber auch sie sollten Rücksprache mit dem Arzt nehmen und ihren Blutzucker kontrollieren.

Für Fachpersonen findet sich darüber hier sehr gute Info: Expert aus der Diabetologia

Tägliche Variation in der Pharmakokinetic und Pharmakodynamic von Medikamenten:
Die Wirksamkeit und Toxizität mancher Medikamente kann über den Tag variieren abhängig von der Zeit der Administration in Relation zum Tagesrhythmus der Biochemischen Prozesse und dem Verhalten (Circadianer Rhythmus). Es ist darum wichtig auch die Tageszeit während der ein Medikament angewendet wird im Auge zu behalten –wegen dem Effekt auf Wirkung und Nebenwirkungen.

Ausgesuchte Medikamente mit täglicher Variation:
Propranolol:  Morgens schneller resorbiert als nachts/abends.
Nifedipin: Pharmakokinetik der sofort freigesetzten (aber nicht der retardierten) Form ändert mit der Tageszeit. Sofort freigesetztes hat eine höhere Maximalkonzentration und eine kürzere Zeit bis zur Erreichung desselben, wenn man es am Morgen nimmt – im gegensatz zur Abend-einnahme. Und Abends war die Bioverfügbarkeit um 40% reduziert.
Digoxin: Zeit bis zum erreichen der maximalen Plasmakonzentration war morgens signifikant kürzer als abends.
Diltiazem: Diltiazem HCl Retard Tabletten abends hatten eine grössere Bioverfügbarkeit als die morgendliche Anwendung.
Theophyllin: Einnahme einer retardierten Formulierung um 3 Uhr Nachmittags gibt therapeutische Wirkstoffkonzentration während der Nacht und verhindert toxische Konzentrationen während dem Tag.
Inhalierte Steroide: Optimale Einmaldosierung inhalierter Steroide ist zwischen 15 und 17 Uhr 30

Zusammenfassend:

Ärzte und Apotheker sollten sich bewusst sein, dass hier therapeutische Probleme auftreten können. Als Apotheker sind wir in einer guten Position unsere Patienten darin zu beraten, wie sie ihre Medikation während dem Ramadan handhaben sollen.

Besten Dank an meine Quelle: mrspharmacist – übersetzt und adaptiert von pharmama

(Original am 4.8.2011 veröffentlicht)

Tagged: Apotheke, Arzt, Diabetes, Fasten, Ramadan

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