Der 12. August ist der Internationale Tag der Jugend. Im d@h_blog veröffentlichen wir aus diesem Anlass ein Gespräch mit Alois Gerbl (39) von der Münchener Aidshilfe. Seit drei Jahren klärt er Jugendliche über HIV und Aids auf – unter anderem in einem Multiplex-Kino.
Interview: Philip Eicker
Alois, wie bist du auf die Idee gekommen, HIV-Prävention in einem Riesenkino zu machen?
Das war reiner Zufall. Im Frühjahr 2009 hatte mich die Deutsche Telekom eingeladen, bei ihrem Azubi-Tag in einem angemieteten Kino zu sprechen. Das hat so gut funktioniert, dass wir gleich im Juli darauf eine eigene Veranstaltung für Münchner Schülerinnen und Schüler angeboten haben. Es kamen 350 Leute.
Du allein vor so vielen Jugendlichen – ist das nicht langweiliger Frontalunterricht wie in der Schule?
Im Gegenteil, das ist ganz anders als in der Schule: Jeder sitzt in einem bequemen Sessel, der Ton ist super, und nebenher dürfen die Schüler Popcorn knabbern. Die Erwartungen sind sehr hoch, und das nutzen wir. Natürlich muss ich meine Methoden dem Rahmen anpassen. Der rote Faden meines interaktiven Vortrags muss klar erkennbar sein, und, ganz wichtig, die Medien müssen wechseln: vom Video zum Infoblock, von der Meinungsumfrage zur Diskussion. Langeweile wäre ein Killer der Veranstaltung.
Langeweile wäre ein Killer der Veranstaltung
Was machst du genau?
Im Kino kann man natürlich gut mit Videos arbeiten. Es gibt im Internet wahnsinnig viel Material, das die Schüler schon von Videoplattformen her kennen. Ich zeige einige Präventionsspots und diskutiere dann mit ihnen, welche Botschaft die Filme haben. Die Schüler sollen die eigentliche Botschaft erkennen und dann sagen, wie sie bei ihnen persönlich ankommt.
Was halten die Jugendlichen von den aktuellen Präventionsfilmen?
Die Meinungen gehen zum Teil stark auseinander. Die einen sagen: Der Film bekommt von mir eine gute Note, weil er witzig ist. Ein anderer Teil denkt: Nein, Aids ist immer noch eine Krankheit, die tödlich verlaufen kann, deshalb sollten Präventionsfilme ernst sein. Letztere finden dann vielleicht sogar eine drastischere Darstellung gut, die mit Angst arbeitet. Das widerspricht auf den ersten Blick vielleicht den Maßstäben einer professionellen HIV-Prävention. Trotzdem stelle ich auch solche Filme vor und lasse die Schüler einen Denk- und Entscheidungsprozess durchlaufen, bei dem am Ende auch gegensätzliche Meinungen nebeneinanderstehen können. Mir ist wichtig, dass sie sich persönlich mit dem Thema auseinandersetzen.
Woher weißt du denn, wie die Filme bei den Jugendlichen ankommen?
Die Schüler bekommen funkbasierte Abstimmgeräte und können so ihre Meinung zu den Filmen kundtun. Außerdem stelle ich Quizfragen, und die Schüler können interaktiv ihre Meinungen, Kenntnisse und Einstellungen zurückgeben. Das Ergebnis wird dann für alle eingeblendet und bei Bedarf zur Diskussion gestellt. Das ist spannend.
Die meisten geben ihren Eltern eine Vier oder Fünf in Sexualaufklärung
Welche Fragen dürfen die Schüler beantworten?
Zum Beispiel: Welche Schulnote würdest du deinen Eltern für ihre Sexualaufklärung geben? Interessanterweise geben die meisten ihren Eltern eine Vier oder Fünf. Ich kann sogar unterscheiden, inwieweit Jungs und Mädchen unterschiedlich abstimmen. Sie loggen sich vorher entsprechend ein, deshalb kann ich die Antworten geschlechtsspezifisch auswerten und gegenüberstellen. So kam zum Beispiel heraus, dass sich Mädchen meist besser aufgeklärt fühlen als Jungs.
Und die Spannung hält zweieinhalb Stunden lang?
Ja, ich setze stark auf Visualisierung, erkläre mit Grafiken, Animationen und Videos. Die Quizfragen sind das spielerische Element. Die Schüler können dann das, was sie aus der Schule, dem Internet oder von ihren Freunden wissen, überprüfen. Jeder möchte doch herausfinden, ob er richtig oder falsch lag. Entsprechend gut ist die Beteiligung. Der Spieltrieb funktioniert immer – auch hier.
Die meisten deiner Zuschauer sind in den 90ern geboren worden. Ist HIV in ihren Augen überhaupt noch ein Problem?
Ja, HIV ist noch mit viel Angst verbunden. Dass es inzwischen wirkungsvolle Therapien gibt, wissen alle. Aber das Thema ist immer noch brisant, auch weil es sich mit Sexualität verknüpft, mit anderen sexuell übertragbaren Krankheiten. Das macht es für die Schüler aber auch interessant, weil sie in einem Alter sind, wo sie diese Themen erforschen und erste Erfahrungen sammeln. Am Ende soll die Veranstaltung im Kino immer eine gewisse Leichtigkeit, einen Unterhaltungswert haben – obwohl das Thema bereits eine eigene Ernsthaftigkeit vorgibt.
Eine Fotostory der Münchner AIDS-Hilfe zu einer Präventionsveranstaltung im Mathäser Filmpalast finden Sie hier.
An die Generation YouTube wenden sich z.B. auch dieser Comicfilm der französischen Aidshilfe-Organisation AIDES, dieser TV-Spot der Schweizer Kampagne „Love Life. Stop Aids“ und dieses Viral-Marketing-Video des Kondomherstellers Durex (oder dieses hier) .