Liebe Eltern mit einem schwer kranken Kind ohne Lebenserwartung aufgepasst: Das Leben ihres Kindes ist nicht schützenswert, wenn man diese Pressestimme aus “Die Welt” zitiert in der Memminger Zeitung liest:
“So ist schwer zu verstehen, warum die Verbotsanhänger zu Abwehr der weiteren Zulassung nicht jenem Entwurf eine Mehrheit verschafften, nach dem die PID nur bei Verdacht auf solche Gendefekt zuzulassen wäre, an denen das Kind vor oder kurz nach der Geburt verstirbt. Da bliebe der Lebensschutz unangetastet, weil kein Leben entsteht, das zu schützen wäre.” aus: Pressestimmen. Die Welt in Memminger Zeitung. 9./10. 7. 2011 Nr. 156
Ich korrigiere, der oder die Autorin schränkt es auf Säuglingen mit einer Erkrankung ein, welche eine statistisch hohe Wahrscheinlichkeit haben, vor oder kurz nach der Geburt zu versterben. Ein Mensch mit einer solchen prognostizierten Lebenserwartung hat also kein Recht auf eine ärztliche Behandlung zur Sicherung seiner Lebensfunktion? Selbst die Krankenversicherung könnte danach einen Katalog erstellen, bei welchen Erkrankungen sie nicht die Behandlungskosten übernehmen, da die betroffenen Menschen mit dieser Krankheit nicht als schützenwert gelten.
Für das erkrankte Baby braucht es auch keinen Fürsprecher geben, keinen gesetzlichen Vertreter, der seine Lebensrechte wahrnimmt. Es hat keine Lebensrechte und wohl dann auch nicht, wenn es seine statistische Prognose der Lebenserwartung Tag um Tag, Monat um Monat, Jahr um Jahr überlebt, wenn man es medizinisch versorgt. Die PID ist eine diagnostische Maßnahme und sollte kein Instrument sein, um »endlich« sagen zu können, ab wann ein Leben schützenswert ist oder nicht.
Es stellt sich doch eher die Frage, was bewegt Menschen dazu, diesen schwierigen Schritt zu gehen im Rahmen der Familienplanung. Eine Antwort kann eben lauten: Noch ein zweites Kind mit dieser schweren Erkrankung, das packen wir nicht. Ohne die vorgeburtliche Diagnostik würden diese Familien kein weiteres Kind mehr bekommen.
Die Weichen, wie weit mit der vorgeburtlichen Diagnostik »gesiebt« wird auf vermeintlich gesund, stellt die Gesundheits– und Sozialpolitik selbst mit, mit der Stärke wie sie Behinderung zu einem Kostenfaktor erklärt und die betroffenen Menschen und deren Zugehörigen als Bittsteller sieht, deren Weg in der Armut enden kann. Die fehlende Umsetzung der UN-Konvention für die Rechte der Menschen mit Behinderung ist ein weiteres Merkmal.
Dabei wird wohl auch aus den Augen verloren, dass die meisten Behinderungen im Leben erworben werden und hier die Politik gefordert ist der demographischen Entwicklung gerecht zu werden. Je weniger Barrieren bestehen im öffentlichen wie privaten Raum, ob es die Dusche ist oder der Zugang zum ICE, desto weniger »pflegerischen« Unterstützung bedarf es.
Bei dieser Diskussion rund um die PID wird mir eher deutlich, dass es ein gesellschaftlicher Auftrag ist für Alle deutlich zu machen: Behinderung ist keine Definition, um eine Ausgrenzung aus der Gemeinschaft zu bestimmen. Behinderung bedeutet auch nicht gleich ein Minus an Lebensqualität. Behinderung kennzeichnet das Anderssein gegenüber den anderen Menschen. Dieses Anderssein betrifft uns alle und kann in jeder Lebenssituation und jedem Lebensumfeld anders aussehen.