“Thank you for traveling with Deutsche Bahn!”

Foto: creativ collection

 Ich konnte es nicht fassen! Eigentlich wollte ich schon um 15.30 Uhr das Verlagsgebäude verlassen und im Zug nach Hause sitzen. Aber jetzt war es 17.58 Uhr und ich saß weder im Zug nach Hause, noch hatte ich Aussicht in absehbarer Zeit dort anzukommen.

 Ich war am Morgen extra eine Stunde früher losgefahren – um sechs statt um sieben Uhr – um früher den Schreibtisch verlassen zu können. Ich musste am Nachmittag dringend ein Hochzeitsgeschenk im Fotoladen abholen, doch ich hatte eines nicht eingeplant: Die Jahresheftplanung…

 

 

Nachdem ich mich mit meinem Schicksal – dem nicht früher Feierabend haben – abgefunden hatte, arbeitete ich konstruktiv beim Vorschläge Sammeln mit und verließ pünktlich um halb sechs das Büro.  

Am Bahnhof suchte ich gleich die Anzeigetafel ab: “IC nach Ulm 17.53 Uhr von Gleis 14 heute ungefähr 40 Minuten Verspätung”, lautete der Fließtext. Na toll! Da hätte ich auch noch im Büro bleiben können…. Aber vielleicht hatte ich noch Glück im Unglück. Fuhr um 17.58 Uhr nicht immer auch ein EC nach Ulm?! Den würde ich nehmen! Mit dem Handy am Ohr marschierte ich triumphierend zu Gleis 12. Während ich mich bei der Dame an der Strippe erkundigte, wie lange das Fotogeschäft heute geöffnet hatte, checkte ich am Bahnsteig nochmal die Daten: 17.58 Uhr, EC – das passt! Und stieg ein. Wenn dieser Zug während der Fahrt keine Verspätung bekommen würde, könnte ich es gerade noch zum Fotoladen schaffen.

Zufrieden  – trotz Sitzplatz gegen die Fahrtrichtung – blickte ich aus dem Fenster: “Man das klappt doch alles wie am Schnürchen.”  Das rückwärts fahren soviel ausmacht, hätte ich nicht erwartet, die ganze Perspektive und die Umweltwahrnehmung ändert sich auf einmal. Denn dass man vom Zug aus das Verlagsgebäude und unser Büro sehen konnte, war mir bisher noch nie aufgefallen. Egal, aber irgendwie sah die ganze Strecke heute ganz anders aus. Dann ertönte die Stimme, die wirklich alles veränderte: “Nächster Halt: Vaihingen/Enz. Ausstieg in Fahrtrichtung links.” Was? Vaihingen/Enz? Hier lief etwas ganz entscheidend schief, ich musste im falschen Zug sitzen! Schnell aus dem Zug, bevor der Schaffner kommt und die Fahrkarte kontrolliert.

Vom Bahnsteig rannte ich gleich zum nächsten Fahrplan. Na super, der nächste Zug Richtung Stuttgart fuhr erst in 40 Minuten, aber ich würde damit gerade noch den nächsten IC-Anschluss nach Ulm ab Stuttgart bekommen. Den Fotoladen konnte ich aber schon mal knicken.  Da entdeckte ich auf einer Anzeigentafel: “IC nach Stuttgart Hauptbahnhof – ca. 10 Minuten Verspätung.” Ich witterte meine Chance und sprintete zum Fahrkartenautomat. Dort angekommen, tippte ich wild darauf ein, bis ich endlich die Fahrkarte in meinen Händen hielt. Dann rannte ich zurück auf den Bahnsteig, von der Zeit musste es gerade passen. Aber erstaunlich, auf dem Gleis waren ziemlich wenig Reisende, die auch auf den Zug warteten. Nach weiteren fünf Minuten war mir klar: Der Zug war früher gekommen und die Anzeige nicht mehr aktuell. Na toll, also musste ich doch auf den RE zurück nach Stuttgart warten.

Mein Magen knurrte, es war jetzt halb sieben und ich hatte seit 12 Uhr mittags nichts mehr gegessen. Frustriert suchte ich das Gelände nach einem Süßigkeitenautomat ab und zog mir zwei Schokoriegel für einen Euro. Diese Investition  lohnte sich für meine Nerven spätestens, als auf der Anzeigetafel erschien: ” RE ca. 5 Minuten Verspätung”. Jetzt würde es knapp für den IC um 18.53 Uhr werden. Aber vielleicht hatte der ja auch Verspätung! Hoffnung keimte in mir auf. Dann endlich kam der Zug. Ich blickte nochmals auf die Anzeigetafel: Jip, der RE fuhr wirklich Richtung Stuttgart. Der Zug hielt und Menschentrauben bildeten sich vor den Türen, aber die Türen öffneten sich nicht! Ich stand völlig apathisch davor, nicht nur aus Frustration, sondern auch wegen den Zuckermolekülen, die mittlerweile aus meinem – vor den Schokoriegeln völlig leeren Verdauungstrakt – in mein Blut schossen. Der Schaffner zerrte von Innen an der Tür, die ersten Leute im Zug bekamen einen panischen Gesichtsausdruck, dann ging die eine Tür bis zur Hälfte auf. Ich überlegte mir kurz- wie ein paar andere Leute auch- ob ich wirklich in diesen Zug steigen wollte. Ich stieg ein. 

Einige Minuten später fuhren wir im Hbf Stuttgart  ein. Ich stand zum Spurt zu Gleis 14 bereit vor der Tür, für den Fall, dass sie sich wirklich öffnen sollte. Sie öffnete sich und ich spurtete los, immer noch in der Hoffnung meinen Zug nach Ulm zu bekommen. Nach der Hälfte der Strecke stellte ich fest: Ich konnte aufhören, denn wir standen als zweiter Zug hinter einem anderen ziemlich weit hinten auf dem Gleis und ich würde es nie pünktlich schaffen. Irgendwann kam ich dann an Gleis 14 an.  Der IC war weg. Der nächste Zug – ein RE- fuhr natürlich erst in 40 Minuten. Eine Hoffnung gab es aber noch: der ICE auf Gleis 16! Die entscheidende Frage, an der alles hing, war: Wieviel kostete der Aufpreis? Mit dem Mut  der Verzweiflung – und des Hungers, der sich schon wieder einstellte, aufgrund der Hypoglykämie, die sich aufgrund der übermäßigen postprandialen Insulinausschüttung eingestellt hatte- ging ich zu einem Schaffner. Ich fragte ihn – er gerade seine Freundin am Bahnsteig zum Abschiedskuss umschlingend -, ob er für den Zug verantwortlich sei. Er meinte, für den Zug sei er nicht verantwortlich, aber für diesen Waggon hinter ihm. Ich versicherte ihm, das würde mir erstmal ausreichen und fragte ihn, ob er wisse, wieviel der Aufschlag koste? Er wüsste es nicht, aber er könne in seinem schicken um den Hals hängenden Mini-Computer nachschauen. Während er nachschaute, gackerte ich auf ihn ein: dass ich meinen Zug verpasst hätte und nun erst in 40 Minuten mit dem RE fahren könnte und dass ich, wenn der Aufpreis nicht mehr, als 4, 10 Euro kostetete ,  denn soviel hatte ich gerade noch im Portemonnaie, einfach mit dem ICE fahren würde. Der ICE-Aufpreis kostete 5, 50 Euro. Ich dachte mir: “Was für ein Glück, die Schokoriegel sind nicht Schuld daran!” Er sah mich an und meinte nur: “Steigen Sie ein, aber bleiben Sie in diesem Waggon!”  

Gegen halb neun stieg ich aus dem selben Waggon wieder aus – in Ulm. Ich reise gerne mit der deutschen Bahn. Ehrlich, ich mag sie.

Grüsse von Maggi

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