Sechs Männer und eine Frau lässt Regisseur Mark Strombach in seinem Film „Mein positives Leben“ von ihrem Erfahrungen mit HIV erzählen. Was seine Interviewpartner verbindet: Sie leben alle schon sehr lange, zum Teil seit Jahrzehnten mit dem Virus. Am Sonntag wird der Film bei den Lesbisch-schwulen Filmtagen in Hamburg uraufgeführt. Axel Schock hat sich vorab mit dem Filmemacher über die Dokumentation unterhalten.
Der jüngste Interviewpartner in deinem Film ist 57, der älteste bereits 72 Jahre. Wie ist die Idee entstanden, sich Langzeitpositiven zu widmen?
Ich habe jetzt zweimal für die Berliner Tagung „HIV im Dialog“ eine Multimediashow namens Kaleidoskop produziert, die das jeweilige Kongressthema aufgriff. Im letzten Jahr lautete es „HIV und älter werden“. Ich hatte für dieses Projekt sehr viel mit älteren Menschen zu tun, die seit den Anfängen von Aids mit dem Virus leben. Daraus entstand schließlich die Idee, einen Film zu diesem Thema zu machen, zumal es bislang noch nichts Vergleichbares aus Deutschland gab.
Deine Interviewpartner sprechen allesamt sehr offen und freimütig über ihr Leben, ihre Erfahrungen und Gefühle. War es schwer, solche Menschen für den Film zu finden?
Ich konnte zum Glück in Berlin auf ein gutes Netzwerk zurückgreifen. Tatsächlich gestaltete es sich anfangs schwierig, weil nicht jeder so offen vor der Kamera sprechen möchte. Deshalb ist die Frauenquote auch leider etwas gering ausgefallen. Chrissy aber ist so klasse, sie spricht für mindestens vier Frauen!
Hattest du die Interviewpartner auch nach inhaltlichen Schwerpunkten ausgewählt, zum Beispiel, um bestimmte Aspekte ihrer Lebensgeschichten zu betonen?
Nein, eigentlich nicht. Für mich war dies nicht nur der erste lange Film, sondern es waren auch die ersten längeren Interviews, die ich geführt habe. Ich habe mir ein stichwortartiges Fragengerüst erarbeitet und alles weitere im Gespräch sich entwickeln lassen. Ich hatte tierisches Glück, dass ich diese wundervollen Menschen gefunden hatte, die einfach frei Schnauze loserzählen. Sie haben mir es mir damit sehr einfach gemacht. Ich musste an keiner Stelle nachbohren und konnte ihre Geschichten einfach auf mich wirken lassen.
Die Menschen in deinem Film sind allesamt sehr selbstbewusste, kämpferische Naturen. Hattest du ganz gezielt nach solchen Protagonisten gesucht?
Das hat sich automatisch so ergeben. Wer sich bereit erklärt, sich vor die Kamera zu setzen und aus seinem Privatleben zu plaudern, ist ganz sicher gefestigter und selbstbewusster als jemand, der sich beispielsweise noch nicht als HIV-positiv geoutet hat. Den Interviewpartnern war klar, dass sie mit diesen Gesprächen ein Stück weit in die Öffentlichkeit rücken werden. Ich habe sie deshalb auch in den Fertigungsprozess und Schnitt immer wieder einbezogen, um ihnen die Möglichkeit zum Eingreifen zu geben, falls ihnen eine Interviewpassage im Nachhinein vielleicht doch zu privat erschienen wäre.
Auch wenn die einzelnen Protagonisten natürlich auch sehr viel von Verlusten und anderen traurigen, schmerzhaften Erfahrungen berichten, entlässt der Film die Zuschauer doch mit einer sehr optimistischen Stimmung.
Wir sind im freien Fall in die Gespräche hineingegangen. Dass der Film zum Ende hin so optimistisch wird, fand ich im Endergebnis selbst sehr schön. Dies ist ein toller Nebeneffekt, der in dieser Form nicht geplant war. Sie haben auf ihre Weise die Message des Films formuliert: „Es lohnt sich, nicht aufzugeben, sondern stattdessen zu kämpfen. Und es ist wichtig, Freunde zu haben und miteinander zu reden.“ Ich denke, dass der Film dadurch vor allem frisch Infizierten, die nicht wissen, was die Zukunft ihnen nun bringen wird, Mut machen kann.
Die medizinische Prognose der heute Infizierten ist eine andere, weitaus bessere als jene, mit der die Interviewpartner vor zehn oder 25 Jahren rechnen konnten.
Meine Interviewpartner haben in dieser Hinsicht großes Glück gehabt, und davon erzählen sie auch im Film. Hätten sie vor 20 Jahren die ersten Medikamente bekommen, wären sie vielleicht an den Nebenwirkungen verstorben, so wie ein Großteil ihrer Freunde. Heute hingegen unterscheidet sich die Lebenserwartung von HIV-Positiven, deren Infektion rechtzeitig erkannt und behandelt wird, kaum mehr von der HIV-negativer Menschen. Das zeigt die enorme Entwicklung, die in medizinischer Hinsicht in diesen Jahrzehnten erreicht worden ist.
Weitere Informationen:
- Besprechung des Films im Blog der Deutschen AIDS-Hilfe
- Internetseite zum Film
- Trailer zu „Mein positives Leben“
- Internetseite der Lesbisch-schwulen Filmtage Hamburg