Es ist fünf Minuten vor zwei und ich versuche gerade, mich still und heimlich von der Station zu verdrücken um mir in der Kantine noch ein paar kullinarische Köstlichkeiten hinter die Kiemen schieben zu können. Fast habe ich es geschaft, unauffällig die Ecke in Richtung Treppenhaus zu passieren, als…
„Herr Doktor!“
Wie bitte? Bin ich das?
„Sie können noch nicht gehen!“
„Äh… warum nicht?“
„Da ist noch Blut abzunehmen!“
Langsam und mit gesenktem Kopf komme ich zurück in Richtung Schwesternstützpunkt. Da steht Schwester Paula, die Hände in die Hüften gestemmt und deutet auf ein Tablett mit fünf Blutröhrchen, sorgfältig in Plastikbecher sortiert.
„Die müssen bis vierzehn Uhr dreißig im Labor sein! Das wissen Sie doch!“
Klar weiß ich das… und ich weiß auch, dass mein Magen mir knurrenderweise unmissverständlich zu verstehen gibt, dass jetzt unbedingt ein paar Kalorien fällig sind, aber zack-zack!
„Äh… Schwester Paula?“
Sie schaut mich argwöhnisch an.
„Könnten Sie das nicht vielleicht ausnahmsweise mal abnehmen?“
Schwester Paula schüttelt unerbittlich den Kopf.
„Warum denn nicht?“
„Ist doch ärztliche Aufgabe!“
„Warum eigentlich?“
„Alles, was mit Venen zu tun hat, ist ärztliche Aufgabe. Das war schon immer so!“
„Warum war das denn schon immer so?“
„Weil… ja…. was denken Sie denn, was da alles passieren kann?“
Ja, was denn eigentlich?
Seit geraumer Zeit nämlich wird Schwester Paulas Meinung vom Management der Klinik nicht mehr geteilt. Blut abnehmen ist längst auch Aufgabe der Pflege. Und damit ist der obenstehende Dialog heutzutage höchst unwahrscheinlich geworden. Warum bloß?