Thomas (38) aus Leipzig weiß seit einem Jahr, dass er positiv ist. Seine Arbeit als Maler hat er deswegen verloren, die Zuversicht nicht: Im April wird er zum ersten Mal Vater. Kriss Rudolph sprach mit ihm über sein Leben mit HIV und sein Engagement als Botschafter der Welt-Aids-Tags-Kampagne „positiv zusammen leben“.
Thomas, in deiner Eigenschaft als Botschafter sieht man dich auf zahlreichen Plakaten, und du nimmst an Veranstaltungen teil.
Ich komme gerade von einer Diskussion an einer Berufsschule in Leipzig. Es ging darum, wie man im Job mit HIV umgeht. Die Schüler wollten aber alles Mögliche wissen: Was, wenn man positiv ist und schwanger wird? Können bei der Blutspende im Blutplasma auch die Antikörper nachgewiesen werden? Etwa die Hälfte war echt interessiert. Aber letztlich denken die meisten, die Krankheit geht an ihnen vorbei.
Was das Thema „HIV auf der Arbeit“ angeht, hast du schlechte Erfahrungen gemacht.
Nachdem ich hörte, dass meine Ex-Freundin positiv getestet worden war, ließ ich mich auch direkt testen, zusammen mit der neuen Partnerin. Ergebnis: Sie war negativ, ich positiv. Auf der Baustelle haben wir am Telefon darüber gesprochen, und das haben andere mitbekommen. Danach sagte mir mein Chef, die Kollegen hätten Angst, sich anzustecken. Später wurde mir gekündigt, aus „betrieblichen Gründen“. Ich habe aber keine rechtlichen Schritte eingeleitet. Dazu fehlte mir die Kraft. Erst mal musste ich mit mir selber klarkommen.
Die Diagnose ist ein Jahr her. Seitdem arbeitest du nicht mehr als Maler.
Ich darf nicht, bin arbeitsunfähig. Von früher 72 Kilo bin ich auf mittlerweile 50 runter. Das Baugewerbe ist tabu, das schaffe ich körperlich nicht mehr. Mein Immunsystem ist im Moment nicht in Ordnung. Aber ich würde gerne noch eine Ausbildung machen, irgendwas arbeiten bis zur Rente. Zu Hause rumsitzen will ich nicht. Man fühlt sich so im Abseits.
Wie kam es zu deinem Engagement als Botschafter?
Ich habe mich letztes Jahr am 1. Dezember auf der Homepage der Welt-Aids-Tags-Kampagne als Online-Botschafter eintragen. Darauf fragte man mich, ob ich mir vorstellen könne, bei der Kampagne mitzumachen. Ich habe kurz überlegt und zugesagt. Weil ich das eine tolle Idee fand. Ich bin eh relativ offen damit umgegangen, von Anfang an. Und mir ist weder die Partnerin davon gelaufen, noch haben sich Freunde abgewandt.
Was ist dein Anliegen bei dieser Kampagne?
Jeder muss für sich entscheiden, wie er mit HIV auf der Arbeit umgeht. Einige Leute haben eben noch Angst, sich anzustecken. Meiner Ex-Freundin ging es ähnlich wie mir. Deren Chefin wollte sie auch kündigen, aber dann hat ihr ein Arzt erklärt, dass es keine Ansteckungsgefahr gibt. Damit war das Thema aus der Welt. Ich würde mir wünschen, dass alle Arbeitgeber und Kollegen sich informieren. Niemand soll sich mit der Krankheit verstecken müssen.
Was für ein Gefühl ist es, deine Plakate in der Stadt zu sehen?
Gestern saß ich in der Straßenbahn, schaute aus dem Fenster, und da hing mein Plakat. Man freut sich zwar, dass andere das sehen, aber es ist auch ein bisschen komisch. Ich habe selber noch großen Respekt vor meiner Entscheidung, gerade wenn ich die Plakate in Übergröße sehe. Die hängen ja überall in Leipzig, auch in meiner Nachbarschaft.
Wie kommt die Kampagne bei deinen Freunden an?
Die sagen mir immer Bescheid, wenn sie irgendwo meine Plakate sehen. Die finden das toll, von denen gab es nie eine negative Rückmeldung. Bei manchen hängen die Plakate sogar schon in der Wohnung.
Wenn man nicht betroffen ist, interessiert’s einen halt nicht so wirklich
Und bei deiner Familie?
Meine Eltern waren erstmal ein bisschen geschockt, aber mittlerweile ist es für sie ganz normal. Meine Tante und der Onkel können das nicht so richtig verstehen. Die sind schon über 70 und glauben: HIV bedeutet Sterben.
Kennen sich deine Freunde gut mit HIV aus?
Die setzen sich halt damit auseinander, weil jemand aus ihrem Freundeskreis betroffen ist. Ansonsten gibt es solche und solche. Manche wissen gut Bescheid, andere weniger. Details kennen viele nicht. Aber wenn man nicht betroffen ist, interessiert’s einen halt nicht so wirklich. Ging mir ja früher auch so.
Wie hat sich dein Leben in den letzten 12 Monaten verändert?
Ich erwarte mit meiner Freundin ein Kind. Vor ein paar Monaten waren meine Werte in Ordnung, und der Arzt sagte: Wenn ihr es probieren wollt, wäre jetzt eine gute Zeit. Und es hat geklappt. Am 2. April ist es soweit. Es wird ein Junge. Laut Untersuchung ist er gesund und entwickelt sich völlig normal.
Hattet ihr Angst, dass das Kind auch positiv sein könnte?
Die Gefahr ist relativ gering heutzutage. Hätte meine Freundin HIV gehabt, hätte sie spezielle Medikamente bekommen, sodass die Übertragung auf das Kind während der Schwangerschaft nicht stattfindet. Aber da sie negativ getestet ist, kann das Kind es definitiv nicht haben.
Mit Werten, wie du sie derzeit hast, hätte der Arzt wohl eher abgeraten.
Ja, aber damals waren die Werte eben gut. Da war ich längere Zeit unter der Nachweisgrenze. Die Virenlast im Blut hätte nicht ausgereicht, um eine Infektion hervorzurufen. Nur wenn man über dieser Grenze liegt, ist man infektiös. Na, jedenfalls hat es funktioniert, das ist schön. (lacht)
Vom Vaterwerden abgesehen: Wie stellst du dir deine Zukunft vor?
In erster Linie will ich „gesund“ bleiben und gesund alt werden. Deswegen werde ich demnächst auf andere Medikamente umstellen, damit die Viruslast wieder unter die Nachweisgrenze sinkt und mein Immunsystem sich erholt. Außerdem gibt es ja noch genug Begleit-Erkrankungen, die auftauchen können. Reisen will ich auf jeden Fall. Ich denke, ich habe Träume wie andere Menschen auch.
Alles Gute für dich und deine Familie und viel Erfolg mit der Kampagne!