sie waren vor einiger zeit mal in aller munde, zumindest in (ohje, stimmt diese grammatikalische spreizung?) derer es betrifft – die ärzte: die arztbewertungsportale. anfangs sind sie auch wie die pilze geschossen, jeder wollte von der tollen kuchenidee was abhaben, also bekamen sie die üblichen it-phantasienamen wie jameda, esando, docinsider, topmedic usw., ganz aktuell zieht die aok im verein mit der barmer-gek nach und nennt das ganze profan arzt-navi oder weisse liste (in anlehnung an die rote liste für medikamente oder die schwarze liste für … naja).
viele der kollegen haben mit den schultern gezuckt, was das denn schon soll, der arztzulauf wird doch eh per pedes entschieden, über mund-zu-mund-propaganda oder die empfehlung über den gartenzaun. aber weit gefehlt: wir befinden uns schließlich im 21.jahrhundert, und wenn schon viele ihre einkäufe übers internet tätigen und auf die dortigen bewertungen bei amazon und ciao für bücher, cds und damenbinden setzen, warum nicht auch die patienten auf der suche nach einem arzt?
schließlich haben diese arztportale den nebeneffekt, kleine telefonbücher zu sein, in denen die ärzte immerhin auch mit fachgebiet, adresse und sprechzeiten gelistet sind. aber hier beginnt bereits das problem: die programmierer der meisten portale stützen sich auf recherchen bei den kassenärztlichen vereinigungen oder schlicht des telefonbuches – das heißt, die angaben sind in der regel veraltet. wenn ich mir meine gemeinde anschaue, finde ich fünf ärzte, die a) inzwischen aufgehört haben zu praktizieren oder b) umgezogen sind oder c) eine falsche adresse abgebildet haben. einschließlich meiner eigenen. das update dieser informationen ist so träge wie ein elefant im treibsand.
aber was ist überhaupt von arztbeurteilungen zu halten? schließlich gab es auch schon immer die focus-listen? nun gut. imho sind wir wirklich im 21.jahrhundert und können uns diesem trend nicht entziehen, aber: ärzte sind nun mal wirklich keine cd´s oder damenbinden, auch keine dienstleister, wie andere auch, sondern haben doch immer noch eine vertrauensposition, ein empathische komponente, es geht nicht nur um handwerk oder wartezeiten, sondern auch um menschliche befähigungen, wie soll man die in einer bewertung abbilden? die focus-listen haben immerhin nur die besten der besten der besten gelistet. sehr positiv also, denn
bei den aktuellen portalen kommt hinzu, dass – wie üblich – schlechte bewertungen beim leser mehr wiegen als gute. dass eher schlechte bewertungen abgegeben werden als gute. dass ein zufriedener „üblicher“ patient sich nicht hinsetzen wird und über seinen doc schreiben wird, sondern eher der verärgerte, schlecht behandelte oder auch nur subjektiv unzufriedene. das liegt in der natur der bewertungsseiten. man wischt lieber aus, als das man lobt. und – sind wir alle ehrlich: ein handy, welches zwei rattenschlechte bewertungen neben zehn guten bekommen hat, werde ich nicht so schnell kaufen, wie eines, was nur vier gute bewertungen bekam und sonst keine.
und es gibt auch einen nachahmereffekt – wer bei einem arzt bereits eine negativbewertung gefunden hat, wird – wenn er eine entsprechende erfahrung gemacht hat – auch eine schlechte bewertung abgeben. wird das ein zufriedener patient im gegenzug auch tun, wenn er „seinen“ arzt schlecht beurteilt sieht? diesen nachahmereffekt will zumindest die aok mit ihrem portal ausschließen, indem sie erst veröffentlichungen „bringt“, wenn bereits zehn bewertungen pro arzt zusammen sind. führt leider dazu, dass es auf deren portal noch wenig veröffentlichte bewertungen überhaupt gibt.
leider können ärzte in vielen portalen keine kommentare zu bewertungen abgeben, wie dass zb bei manchen hotel-bewertungen möglich ist. würden wir das tun? oder verbietet das das wettbewerbsverbot unter ärzten? außerdem gibt es eben die diskrepanz zwischen anonymer abstrafung durch den patienten und der persönlichen kommentarfunktion des arztes an unbekannt.
gibts auch patientenbewertungsportale? an privatpatienten, die ihren rechnungen nicht nachkommen? an eltern, die ein arztringwechsel veranstalten, um an das nächste rezept zu kommen, das bereits von zwei kollegen zuvor abgelehnt wurde? an patienten, die mit simulierten schmerzen an betäubungsmittel kommen wollen? an patienten, die den notdienst für routineuntersuchungen mißbrauchen „weil´s da halt schneller geht“?
oder gibts auch krankenkassenbewertungsportale? an kassen, die dem chronisch kranken kind die nötige unterstützung versagen, aber dem fußvolk homöopathika und heilpraktikerbehandlungen finanzieren? an privatkassen, die nur gesunde aufnehmen, weil man bei kranken nur draufzahlt? an krankenkassen, die geld verpulvern für bonuszahlungen bei vollem stempelheft, kindern aber weitere vorsorgeuntersuchungen versagen?
wir motzen gerne, wir bewerten gerne. das internet macht es uns leichter. zu leicht?