Auf dem Jahresempfang der Stiftung Gesundheit am 10. Mai 2012 wurde der Publizistik-Preis 2012 verliehen. Der Journalist und Buchautor Walter Schmidt gewann die Auszeichnung für sein Buch Dicker Hals und kalte Füße. Hier seine Dankesrede:
Verehrtes Publikum, sehr geehrte Preis-Jury!
Auch wer weiß, was in seinem Körper passiert, wenn er eine nicht ganz alltägliche Rede vor unbekannten Menschen hält, ist gegen eine gewisse Aufregung und die dabei ablaufenden Vorgänge in Leib und Seele nicht völlig immun. Ein solcher nervöser Redner hat zum Beispiel
- einen trockenen Mund (eine auch mir sinnlos erscheinende Reaktion des vegetativen Nervensystems)
- einen Kloß im Hals, das sogenannte Globussyndrom (von lat. globus für Kugel, Klumpen) – noch schlauer ausgedrückt: einen „Globus pharyngeus“. Das ist so, weil sich die Schluck- und Halsmuskulatur verspannt, worauf es uns die Sprache verschlägt, damit wir angesichts eines nahen Fressfeindes keinen verräterischen Laut von uns geben. Damit ist das lästige Kloßgefühl ähnlich motiviert wie die Angststarre beim zeitweise allein gelassenen, still verharrenden Rehkitz in seiner Grasmulde oder beim Kaninchen, das beim Anblick der nahenden Schlange sozusagen einfriert.
- ein schneller pochendes Herz, weil vom Hirn und den Nebennieren ausgeschüttete Stresshormone den Körper auf Flucht oder Kampf vorbereiten
- weiche Knie und angespannte Beinmuskeln, weil wir auf dem Sprung sind und wegrennen wollen und die Muskulatur sich darauf vorbereitet hat
- insgesamt angespannte Körpermuskeln, damit im drohenden Abwehrkampf innere Organe etwas besser geschützt sind, vor allem im Unterleib, und damit der Mensch sich seine Gelenke nicht so leicht ausrenkt, wenn der Gegner auf ihn eindrischt oder an ihm zerrt
- bisweilen gar einen verbissenen Gesichtsausdruck, weil wir aus demselben Grund – nämlich Gelenkschutz – unseren Kiefer fixieren und so gegen Hiebe schützen wollen
- ein flaues Gefühl im Magen, weil der Vagus-Nerv unsere Verdauung hemmt und uns vermeintlich den Magen herumdreht, in Wahrheit ihn aber eher verkrampfen lässt und die Darm-Peristaltik durcheinanderbringt (und dummerweise auch die Harnblasen-Muskulatur entspannt – und nicht nur sie!)
Manche Redner haben kein gerötetes Gesicht, das ihnen im Kampf helfen könnte, den Gegner zu beeindrucken und überschüssige Körperwärme loszuwerden, sondern sind stattdessen ganz schön bleich um die Nase, weil bei Angst die feinen Kapillargefäße der Haut sich verschließen, das Blut ins Körperinnere wandert und so einen möglichen Blutverlust bei Hautverletzungen reduziert.
Ein Wunder also, dass noch Reden gehalten und zu Ende gebracht werden können!
Ich danke Ihnen von Herzen für diesen Preis, der mir ein willkommener Lohn für ein gutes halbes Jahr Arbeit ist – und der mich außerordentlich freut!