Jede sechste Krebserkrankung weltweit wird von Mikroben verursacht

(P. Köhler) IARC ist die International Agency for Research on Cancer, eine Organisation der WHO mit Sitz in Lyon und ca. 300 Mitarbeitern. Der überall referenzierte Artikel im "Lancet": De Martel C, Ferlay J, et al. ist hier: Global burden of cancers attributable to infections in 2008: a review and synthetic analysis. The Lancet Oncology, 9 May 2012, doi:10.1016/S1470-2045(12)70137-7). 
Die Arbeit von de Martel und ihren Kollegen besagt, dass in den unterentwickelten Ländern noch wesentlich mehr Krebsfälle (in Zentralafrika z.B. über 30 %) durch Infektionen verursacht oder mitverursacht werden.
Es sind vor allem Hepatitisviren, Papillomaviren, Schistosomen, und Helicobacter – alles Erkrankungen, für die es wirksame Impfungen oder Therapien gibt. Es geht also jetzt darum, diesen Ländern moderne (und teure) Impfungen auf breiter Basis zugänglich zu machen. Die Forschungsarbeiten der IARC werden von Bill & Melinda Gates finanziert.
Die erste Veröffentlichung über krebserzeugende Mikroben stammt übrigens aus dem Jahr 1911. Seither rätselt die Wissenschaft über den Mechanismus, wie die Viren und sonstigen Infekterreger das machen. Der derzeitige Stand ist, dass sie das Erbgut der infizierten Zellen so verändern, dass Onkoproteine erzeugt werden, die in einem von vielleicht zwei Dutzend Signalwegen eingreifen, die die Funktionen der Zelle steuern. Damit eine Zelle zur Krebszelle wird, müssen mindestens fünf oder sechs solche Signalwege gestört sein; deshalb erkrankt auch nicht jeder infizierte Mensch an Krebs.
Schön ist, dass der Lancet-Artikel zwar hinter der branchenüblichen $31.50-Paywall liegt, die ihm zugrundeliegenden weltweiten Krebsregisterdaten aber auf der Webseite der IARC frei durchsucht werden können, beispielsweise lassen sich die Neuerkrankungsraten vom Magenkrebs auf der Weltkarte visualisieren. (Wußten Sie, dass Magenkrebs in Zentralasien achtmal häufiger ist als in der Schweiz?)
Und noch schöner ist, dass auch die detaillierten Auswertungen der IARC – die ja schon mit internationalen Steuergeldern und dem Vermögen des ehemaligen Microsoft-CEOs bezahlt wurden – im Netz frei gelesen werden können, z.B. der 500 Seiten starke World Cancer Report 2008, gewissermassen die Langfassung des Lancet-Papers – beantwortet mehr Fragen über Krebsepidemiologie, als mir einfallen würden.

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