Doch, es geschehen noch Zeichen und Wunder im Bereich der Annäherung zwischen alternativer Medizin und Schulmedizin. Denn die Zulassungsbehörde FDA, das amerikanische Pendant zur EMA in Europa bzw. BfArM für Deutschland, hat einen pflanzlichen Wirkstoff zugelassen, der zur Behandlung der aktinischen Keratose eingesetzt wird. Damit wird ein Produkt der Natur zu einem zugelassenen Medikament. Aber wie konnte so etwas in der Welt der evidenzwütigen Schulmedizin nur passieren?
Die aktinische Keratose, auch Licht-Keratose genannt, ist eine Schädigung der verhornten Oberhaut durch eine langjährige Bestrahlung mit UV-Strahlen. Die chronische Schädigung selbst schreitet nur sehr langsam fort. Sie kann aber nach einigen Jahren fortgesetzter UV-Strahlung zu einem Hautkrebs ausufern. In der Regel ist dies dann ein Plattenepithelkarzinom oder Spinaliom. Die aktinische Keratose stellt somit eine Vorform dieser Hautkrebsformen dar, eine sogenannte “fakultative Präkanzerose”. Betroffen davon sind in der Regel Menschen, die sich in ihrer zweiten Lebenshälfte befinden, einen eher hellen Hauttyp haben und vermehrt im Freien arbeiten oder sich aufhalten müssen und damit mehr oder weniger ungeschützt dem Sonnenlicht ausgesetzt sind. Bevorzugte Stellen einer solchen Keratose sind Gesicht, Ohren, Nase, Glatze, Stirn, Handrücken und Unterarme.
Rechtzeitiges Eingreifen verhindert die Krebserkrankung
Um das Umschlagen einer Keratose in einen Hautkrebs zu vermeiden, werden diese Läsionen durch verschiedene Techniken frühzeitig entfernt. Dies kann unter örtlicher Betäubung operativ geschehen, oder mit flüssigem Stickstoff oder durch die Anwendung von bestimmten Salben oder Cremes (5-Fluoruracil-Creme). Andere Möglichkeiten bestehen in der Anwendung der photodynamischen Therapie oder Podophyllin-Lösung. Die Dermatologen raten zu diesen Maßnahmen, um die Möglichkeit einer Entstehung von Hautkrebs zu minimieren. Damit ist eine aktinische Keratose auf jeden Fall behandlungsbedürftig.
Es stellt sich nun die Frage, warum die pflanzliche Variante einen Fortschritt in der Behandlung der aktinischen Keratose darstellt. Man kann sich gut vorstellen, dass eine operative Entfernung bzw. eine Behandlung mit flüssigem Stickstoff im Gesicht in der Durchführung nicht unproblematisch sein kann und auch entsprechende Narben hinterlässt. Eine Behandlung mit Salben und Cremes dagegen ist oft sehr langwierig. Es hat sich nun gezeigt, dass der pflanzliche Mitbewerber bereits nach zwei- oder dreimaliger Anwendung mehr zu leisten vermag als die etablierten Verfahren. Aber schauen wir uns doch diesen „Mitbewerber“ einmal genauer an.
Die Garten-Wolfsmilch (Euphorbia peplus)
Aus der Garten-Wolfsmilch wird ein Derivat gewonnen, das Ingenol genannt wird. Dieses ist in der Lage, kontrolliert eine Apoptose, einen programmierten Zelltod, auszulösen. Als Gel auf die betroffenen Stellen aufgetragen, kommt die Anwendung einem operativen Eingriff gleich. Es gibt derweil zwei Gels mit verschiedenen Konzentrationen von 0,015 Prozent und 0,05 Prozent. Die schwächere Konzentration wird im Gesicht angewandt, die stärkere an Armen und Rumpf. Grund für diese Zulassung waren die entsprechend eindeutigen Studien zu der Substanz.
Lebwohl et al. Department of Dermatology, Mount Sinai School of Medicine, New York, USA.
„Ingenol mebutate gel for actinic keratosis.“ N Engl J Med. 2012 Mar 15;366(11):1010-9.
In dieser Arbeit wurde das Gel in den beiden verschiedenen Konzentrationen auf seine klinische Wirksamkeit untersucht. Dazu wurde eine multizentrische, randomisierte, doppelblinde, Plazebo kontrollierte Studie durchgeführt. Aufgenommen wurden 547 Patienten mit Läsionen im Gesicht und auf der Kopfhaut und 458 Patienten mit Läsionen an Armen und Rumpf. Beide Patientengruppen wurden nochmals aufgeteilt in eine Verumgruppe, die das Präparat bekam, und eine Placebogruppe mit einem Scheinpräparat. Die „Gesichtsgruppe“ trug das Gel mit der geringeren Konzentration an 3 aufeinander folgenden Tagen auf die betroffenen Stelle auf; die „Arm-Rumpfgruppe“ tat das Gleiche mit dem höher konzentrierten Gel an 2 aufeinander folgenden Tagen. Ob sich ein komplettes Verschwinden (primäres Behandlungsziel) der Läsionen einstellte, sollte nach 57 Tagen beurteilt werden. Nebenwirkungen in Form von örtlichen Reaktionen wurden ebenfalls quantifiziert.
Die Ergebnisse für die im Gesicht behandelte Gruppe sah so aus, dass die Rate kompletter Rückbildung der Läsionen in der Verumgruppe 42,2 Prozent betrug, in der Placebogruppe dagegen nur 3,7 Prozent. Statistisch war dies hoch signifikant. Nebenwirkungen waren am 4. Tag am ausgeprägtesten mit einer Intensität von 9,1 auf einer Skala von maximal 24 Punkten. Am 8. Tag nach der Behandlung jedoch zeigten sich diese Nebenwirkungen signifikant verringert. Am 29. Tag dann waren sie wieder auf dem Niveau vor der Behandlung.
Die Gruppe, in der Arm- und Rumpfläsionen behandelt worden waren, zeigte eine komplette Rückbildung von 34,1 Prozent für die Verum- und 4,7 Prozent für die Placebogruppe, was sich ebenfalls als statistisch signifikant erwies. Lokale Nebenwirkungen auf der Haut waren zwischen den Tagen 3 und 8 am ausgeprägtesten, nahmen danach aber rapide ab und erreichten am 29. Tag wieder Ausgangswerte. Die maximale Intensitätsrate lag hier bei 6,8 (von 24). Unter dem Strich fielen die Nebenwirkungen allgemein mild bis mittelschwer aus und klangen ohne Folgeerscheinungen ab. Die Forscher schlossen daraus, dass ein zwei- bzw. dreitägiges Auftragen von Ingenol Gel eine effektive Behandlungsmethode der aktinischen Keratose ist.
Weitere Studien belegen den Erfolg
Natürlich lässt sich jetzt einwenden, dass eine Schwalbe noch keinen Sommer macht. Aber es gib noch andere Studien, die schon zuvor diese Ergebnisse haben zeigen können. Eine australische Studie aus dem Jahr 2009 zeigte sogar eine komplette Rückbildung der Läsionen von 71 Prozent (PEP005 (ingenol mebutate) gel, a novel agent for the treatment of actinic keratosis: results of a randomized, double-blind, vehicle-controlled, multicentre, phase IIa study. – https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19178487). Eine amerikanische Studie aus dem gleichen Jahr zeigte ebenfalls hervorragende Ergebnisse (Randomized, double-blind, double-dummy, vehicle-controlled study of ingenol mebutate gel 0.025% and 0.05% for actinic keratosis. – http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19467365).
Fazit
Ein vollkommen „alternatives“ Präparat ist soeben zugelassen worden, ohne dass es einen Grund für eine evidenzbasierte Querschlägerei zu geben scheint. Vielleicht ist aber die Ruhe nur darauf zurückzuführen, dass die aktinische Keratose kein besonders gewinnträchtiger Markt zu sein scheint und die Pharmaindustrie und ihre Protagonisten kein Aufhebens über die paar “Krümel” machen , die ihnen da verloren gehen. Aber gab es da nicht einige Krümel, besonders homöopathischer Natur, die eine deutlich heftigere Reaktion ausgelöst haben?