Die Röntgenröhre im medizinischen Einsatzbereich
Ein Vortrag von Dr. Heinrich Behner Siemens AG (Teil 6)
F. Grundlagen der Röhrenbelastung
1. Belastungsdiagramme
Bei der Erstellung und Interpretation von Belastungsdiagrammen von Röntgenröhren sind einerseits die Eingangsgrößen zu berücksichtigen, die den spezifischen Temperaturanstieg im Anodenteller verursachen und andererseits die möglichen Leistungsgrenzen, deren Überschreitung einen erhöhten Verschleiß bzw. eine Zerstörung der Röhre im ungünstigsten Fall zur Folge hat.
Die wesentlichen Eingangsgrößen sind: Röhrenstrom und Röhrenspannung (Leistung), Aufnahmedauer, Anodendrehzahl, Fokus, Grundtemperatur der Anode vor der Aufnahme. …
Bei der Betrachtung von Temperaturniveaus innerhalb des Röntgenstrahlers während einer Belastung zur Ermittlung der Leistungsgrenzen ist generell zwischen folgenden Bereichen zu unterscheiden:
Fokus:
kleiner, höchst beanspruchter Bereich unmittelbar im Auftreffpunkt der Elektronen mit Temperaturanstieg (Brennfleckhub)und Abklingen im ms-Bereich; Grenzen bei ca. 2600°C.
Brennring, Brennbahn (nur bei Drehanoden):
Ausgleichsvolumen, in das während einer Umdrehung die im Fokusbereich aufgenommene Energie „verschmiert“; Zeitkonstanten von Temperaturanstieg und Ausgleich im Bereich von< 1 bis 3 Sekunden; typische Höchsttemperaturen bis 2000°C.
Anode:
relativ träger Wärmespeicher, der zunächst die komplette Wärmemenge aufnimmt und sie im Verlauf einiger Minuten an die Umgebung per Wärmestrahlung abgibt; maximale mittlere Tellertemperaturen bei ca. 1200 °C (nicht bei Drehkolbentechnologie).
Kühlöl:
Dieses nimmt die abgeführte Wärmemenge komplett auf und führt sie über weitere Transportsysteme an die Umgebung ab; konstante Temperatur mit maximal 80°C.
Die oben beschriebenen unterschiedlichen Temperaturbereiche auf einer Drehanode sind in nachfolgendem Beispiel illustriert. Brennfleckhub und erhöhte Brennringtemperatur sind gut zu erkennen. Eingangsparameter für die Berechnung sind ein Anodendurchmesser von 100 mm, 70 kW Strahlleistung in einen elektronischen Brennfleck von 1 mm x 12 mm (Breite x Länge), Drehzahl 200 Hz, Momentaufnahme nach 10 Umdrehungen (50 ms) nach Belastungsbeginn.
2. Beispiele von Belastungsdiagrammen:
Durchleuchtung (a): Die Anode der Röntgenröhre wird kaum und weitgehend konstant belastet; die Tellertemperatur bleibt dabei relativ niedrig.
Einzelbelastung (b): Die Tellertemperatur (und auch Brennbahn- und Fokustemperatur) steigt kurzfristig sehr hoch an und fällt nach erfolgter Aufnahme exponentiell ab.
Angiographie (c): Der ständige Wechsel der Betriebszustände zwischen (gepulster) Durchleuchtung, Kinoserien, DSA, etc. sorgt für höchste thermische Wechselbeanspruchungen.
Computertomographie: Ähnliches gilt für CT-Anwendungen mit raschem Wechsel zwischen
Topogrammen, Serien- oder Spiralscans.
3. Röhrenleistungsbereich in der Diagnostik:
In der Routinediagnostik wie z.B. bei Bucky-Tischen, Planigraphie, Mammographie, DR/DFR, Urologie, Lithotripsie, Angiographie etc. ist die Kurzzeitleistung entscheidend. In diesem Einsatzgebiet werden aufgrund der höheren Brennfleckbelastbarkeit vorwiegend Röntgenröhren mit ≥ 150 Hz Anodenantriebsfrequenz eingesetzt.
Seit mehreren Jahrzehnten hat sich die Computertomographie in der Diagnostik etabliert. Hier liegt der Schwerpunkt allerdings weniger auf der Brennfleck-Kurzleistung (deren Maximierung gleichwohl von Interesse ist) als vielmehr auf der Strahler-Dauerleistung. Ein geringerer Anodenantrieb (bis zu 100 Hz) ist deshalb ausreichend, jedoch verlangt die CT ein hohes Anoden-Wärmespeichervermögen (oder, siehe Drehkolbensystem, eine effiziente Anodenkühlung).
Bedingt durch den hohen Energieumsatz ist eine Zusatzumlaufkühlung durch einen externen Wärmeaustauscher beim Strahler unabdingbar.
4. Überlastschutz-Systeme
Man unterscheidet direkte und indirekte Messsysteme.
Die direkte Messwerterfassung erfolgt unmittelbar am Strahler wie z.B. Öldruck, Öltemperatur, Kühlungsüberwachung, Tellertemperatur. Letztere wird beim System LOADIX® mittels Sensor, der die Helligkeit des Anodentellers bestimmt, gemessen. Diese Systeme werden allerdings mehr und mehr durch indirekte Systeme ersetzt.
Zum indirekten Überlastungsschutz gehört die generatorintegrierte Belastungsautomatik. Die dabei maximal einstellbaren Aufnahmewerte sind jedoch allein kein ausreichender Schutz vor Überlastung während des Betriebes, da die Aufnahmefolge unberücksichtigt bleibt.
Eine Aufnahmeblockierung bietet wohl den wirksamsten Überlastungsschutz, ist aber nicht immer anwendbar und kann den Untersuchungsablauf empfindlich stören.
Die Entwicklung von Belastungscomputern (Lastrechnern) im System bilden die optimale Lösung, vorausgesetzt Strahler und Generator sind vom gleichen Hersteller oder zumindest aufeinander abgestimmt. Die permanente online-Kommunikation aller Komponenten ermöglicht das sofortige Erkennen des thermischen Belastungszustandes mit frühzeitiger Warnung vor Überlastung bzw. Planung der möglichen Untersuchungsmodi.
wird fortgesetzt
mta-r.de bedankt sich ganz herzlich für die freundliche Überlassung dieses Scripts bei:
Dr. Heinrich Behner
Siemens AG
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Components and Vacuum Technology
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