Es tut sich was in Malawi, das bisher für diskriminierende, gegen Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transmenschen gerichtete Politik bekannt war: Die neue Präsidentin Joyce Banda, am 15. Juli 100 Tage im Amt, will Homosexualität entkriminalisieren. Angesichts der Homophobie in vielen Ländern Afrikas eine mutige und für die Präsidentin nicht ganz ungefährliche Ankündigung, wie der ohrenbetäubende Chor ihrer Gegner zeigt. Peter Wiessner berichtet:
Malawi ist eins der ärmsten Länder Afrikas. Weltweites Aufsehen erregte es im Dezember 2009: Tiwonge Chimbalanga und Steven Monjeza outeten sich als schwules Paar und hielten eine öffentliche Verlobungszeremonie ab. Die Reaktion auf diese „Provokation“: Beide wurden verhaftet und nach einem Prozess vor hunderten Zuschauern wegen Analverkehrs zu je 14 Jahren Haft verurteilt. Während des Prozesses bezeichnete der damalige Präsident Mutharika Homosexualität als „vor den Augen Gottes böse und schlecht“, die beiden hätten gegen die Kultur und Tradition Malawis verstoßen. Erst nach internationalen Protesten begnadigte er die beiden – widerwillig.
Sollte die neue Präsidentin Joyce Banda ihre Ankündigung wahrmachen, antihomosexuelle Gesetze abzuschaffen, wäre dies das erste Mal seit 1994, dass ein Land Homosexualität für legal erklärt. Südafrika ist in ganz Afrika bisher das einzige Land mit einer entsprechenden Gesetzgebung, sogar die gleichgeschlechtliche Ehe ist in der Regenbogennation möglich. Durchgesetzt wurde die liberale Gesetzgebung nach dem Ende des Apartheitsregimes. Die gezogene Lehre lautete: Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich.
„Vor den Augen Gottes böse und schlecht“
Von solchen Lehren ist man in Malawi und in vielen anderen afrikanischen Ländern wie Uganda, Gambia, Kamerun, Kenia, Tansania und Zimbabwe noch weit entfernt. Die Regierung von Uganda fordert sogar die Todesstrafe für gleichgeschlechtliche Akte, wenn ein minderjähriger Partner beteiligt ist. Gespielt wird mit tief sitzenden Ängsten. Der Präsident Zimbabwes, Mugabe, prophezeit das Ende der Menschheit, würden gleichgeschlechtliche Verbindungen erlaubt.
Homosexualität gilt in vielen afrikanischen Ländern als unchristlich und unislamisch. Entsprechend wird gepredigt und wahrgenommen. Konservative Religionsführer bezeichneten während des Prozesses gegen Chimbalanga und Monjeza gleichgeschlechtliche sexuelle Verbindungen gar als satanisch.
Die Medien tragen dazu bei, dass sich die negative Einstellung zu Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transmenschen verfestigt und sogar verstärkt. Nach der Ankündigung der Präsidentin sprachen sich am 25. Mai in der Tageszeitung „The Nation“ 13 von 14 Kommentatoren gegen diese Pläne aus: „Die Präsidentin wird die Unterstützung verlieren, wenn sie das Gesetz zur Homosexualität zurücknimmt“, heißt es in einem der Kommentare, der fortgesetzt wurde mit der Frage: „Gehört unsere Präsidentin zu uns, zu Amerika oder Großbritannien?“
Die rein rhetorische Frage bringt eine in afrikanischen Ländern weit verbreitete Vorstellung auf den Punkt: Homosexualität und Toleranz gegenüber Homosexuellen gilt als zutiefst „unafrikanisch“, sozusagen als westliche Importware.
Die Verleugnung der Existenz von Homosexuellen in afrikanischen Ländern geht mit fehlender Information und Aufklärung über Homosexualität und deren Ursachen einher. Ein weites Aktionsfeld, das bestellt werden will, sollte der „Frühling“ in Malawi Wirklichkeit werden oder sogar andere Länder ergreifen. Bis es soweit ist, wird mit harten Bandagen gekämpft.
So wird der Versuch, eine tolerante und an den Menschenrechten angelehnte Politik durchzusetzen, von manchen in Malawi als die Fortsetzung des Kolonialismus verunglimpft. Darin spiegelt sich die Erkenntnis wider, von ausländischer Hilfe abhängig zu sein. Westliche Länder drehen schon einmal den Geldhahn zu, wenn Menschenrechte verletzt werden. Das mag schmerzen und einem vor Augen führen, wie arm man ist. Aber Kolonialismus ist das nicht. Der Globale Fond gegen Aids, Tuberkulose und Malaria hat 2010 keinen Zuschlag für die Förderung malawischer Projekte erteilt, weil die Bedürfnisse schwuler Männer nicht berücksichtigt wurden. Eine gute Entscheidung, denn schwule Männer werden in den Untergrund getrieben und dann beispielsweise durch HIV-Testkampagnen nicht erreicht.
Ist Menschenrechtspolitik Fortsetzung des Kolonialismus?
Auch die Vereinigten Staaten und Großbritannien drohten damit, ihre Unterstützung für Malawi zurückzuziehen oder aber Organisationen zu unterstützen, welche die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transmenschen vertreten.
Diese Einflussnahme findet in Malawi nicht unbedingt Zustimmung, und die Präsidentin wird sicherlich darauf achten, angesichts ihrer zahlreichen Feinde Unabhängigkeit zu demonstrieren. Bischof Bvumbwe, Leiter des Malawischen Kirchenkonzils, formuliert es so: „Es ist moralisch falsch und inakzeptabel, wenn reiche Länder oder Spendenagenturen ihre Finanzmuskeln spielen lassen, um sogenannte schwule Ehen in Malawi durchzusetzen.“
Die Präsidentin Malawis hat sich einiges vorgenommen. Wollen wir ihr an dieser Stelle Glück, Geschick und Erfolg wünschen und hoffen, dass ihr Beispiel Signalwirkung für andere Staaten Afrikas hat.
Weitere Informationen:
Beitrag zur Homophobie in Malawi vom malawischen Journalisten Gregory Gondwe (in englischer Sprache)
Beitrag auf taz.de über das Urteil gegen Chimbalanga und Monjeza vom 21.05.2010
Beitrag auf taz.de über die Begnadigung der beiden vom 30.05.2010