Mammographiescreening viel erfolgreicher als erwartet

(P. Köhler) Soeben wurde eine umfassende Beurteilung der europäischen Screeningprogramme durch die internationalen EUNICE- und EUROSCREEN-Arbeitsgruppen veröffentlicht, auf Basis der Daten von 26 nationalen Screeningprogrammen der Jahre 2001-2006 mit insgesamt mehr als einer Million Teilnehmerinnen.

Die Autoren fanden die aus den bekannten randomisierten Studien erwartete Minderung der Sterblichkeit bei den eingeladenen Frauen um mindestens 25% bestätigt, und einen gewissen Anteil von Überdiagnosen (das sind Krebserkrankungen, die so langsam und harmlos wachsen, dass man sie nicht hätte operieren müssen).

Von 1000 Frauen, die alle zehn Mammographie-Termine wahrnehmen, wurden ca. 170 mindestens einmal zu einer Abklärungsdiagnostik in das Screeningzentrum einbestellt, teils zur Biopsie (Gewebeprobe). Geschätzt entwickeln 67 dieser 1000 Frauen während der beiden Screeningjahrzehnte ein Brustkarzinom, an dem normalerweise 30 sterben würden. In den Screeningkollektiven starben nur 21-23 der Teilnehmerinnen am Brustkrebs.

7 bis 9 von 1000 Screeningteilnehmerinnen überlebten also zusätzlich durch das Screening. 4 Frauen bekamen eine Überdiagnose, d.h. ihr Tumor, der entdeckt und intensiv behandelt wurde, hätte ihr Leben auch ohne diese Behandlung nicht beeinträchtigt.

Das Verhältnis aus geretteten Leben und unnötigen Brustoperationen ist also über 2:1 und damit viel besser als bisher vermutet. Beispielsweise hatten diese norwegischen Forscher ein Verhältnis von 1:15 erwartet; nur ein gerettetes Leben und 15 überflüssige Behandlungen pro 1000 Screeningteilnehmerinnen.

Ein Großteil der wissenschaftlichen Kritik am Mammographiescreening stützt sich auf den als zu hoch angesehenen Anteil an Überdiagnostik und -therapie, siehe z.B. die Veröffentlichungen des norwegischen Cochrane-Mitarbeiters Peter Gøtzsche oder jene der Hamburger Gesundheitswissenschaftlerin Ingrid Mühlhäußer.

Dieser Kritik wird durch die neue Metaanalyse der Wind aus den Segeln genommen. Stephen Duffy (London), Mitautor der EUROSCREEN-Arbeitsgruppe, führt sein Ergebnis darauf zurück, dass a) nur Frauen einbezogen wurden, die am Screening tatsächlich teilgenommen hatten, und dass b) die Nachbeobachtungszeit mit 30 Jahren viel länger war als bei den älteren Studien.

Natürlich kann man die Zahlen subjektiv interpretieren. Es ist wie beim Sicherheitsgurt: Von 13.000 Autofahrern erleiden pro Jahr 50 einen Unfall mit Personenschaden; ohne Gurt würden zwei sterben, mit Gurt nur einer. Es müssen also 13.000 Menschen Gurte erwerben und auf jeder noch so kleinen Fahrt anlegen, um ein Menschenleben zu retten, und 49 Unfallopfer haben gar keinen Vorteil, denn sie hätten auch ohne ihren Gurt überlebt. Nutzen-Kosten-Verhältnis also 1:49! – Ein abwegiger Vergleich? Nun, 1975 wurde durchaus so diskutiert…

In unserem Screeningbezirk mit Zentrum in Tuttlingen sind seit 2007 schon mehr als 500 bösartige Mammatumoren entdeckt und der qualitätsgesicherten Behandlung in den regionalen Brustzentren zugewiesen worden.

——
EUNICE und EUROSCREEN sind internationale wissenschaftliche Forschungsgruppen mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Kommission und verschiedener nationaler Gesundheitsprogramme der Teilnehmerstaaten.

* Paci E: Summary of the evidence of breast cancer service screening outcomes in Europe and first estimate of the benefit and harm balance sheet. J Med Screen Sep. 2012 vol. 19 no. suppl 1 5-13. doi: 10.1258/jms.2012.012077

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *