…. alle fragen, was alle so tun, alle hören und erfahren, dass sie geheiratet haben und wie viele Kinder schon auf der Welt sind. Wieder eine halbe Stunde über Kinder quatschen. Dann nach dem Beruf fragen. Nach Reisen. Nach Umzügen. Feststellen, dass man mal ganz nah beieinander gewohnt hat. Beeindruckt sein von der Entwicklung mancher. Und enttäuscht von der Entwicklung, auch der nicht vorhandenen, anderer. Sich fragen, ob man das Gleiche in seinem Gegenüber auslöst, oder ob man dem anderen im Grunde gleichgültig ist, und der sich nur mit einem unterhält, weil man zufällig da ist und auch miteinander vor Jahren Abitur gefeiert hat.
Zum zehnten Mal feststellen, dass das alles schon zwanzig Jahre her ist. Immer wieder das abgestandene Gefühl – ich kenne Dich – irgendetwas nicht mitbekommen zu haben. Vielleicht etwas neidisch ob der Lebensläufe der einen. Vielleicht das Unvermögen, den eigenen Lauf wert zu schätzen. Wieder – wie sieht der Gegenüber den eigenen Lebenslauf?
Das schadige Gefühl, weil man einige Leute hier nicht getroffen hat – die einem viel wichtiger gewesen wären. Das Vakuum, das daraus entsteht. Wer soll das füllen? Dieser und jener war nicht da, den Du hast sehen wollen, anfassen wollen, wahrnehmen wollen.
Lange bleiben. Mal wieder Bierchen trinken. Die, mit denen man sich früher ganz dick verstanden hat, plötzlich oberflächlich zu erleben oder dann in der nächsten Sekunde überraschend persönlich und auch erschreckend distanzlos. Taxieren am Anfang, Gesichter empfangen, Gesichter ins Raster zu bekommen, austarieren, kennst Du? Oder nicht? Zu jung zu alt – plötzlich passt das Raster, ein Name taucht aus der Tiefe auf – ja, hallo. Was tust Du so? Und wieder das Austauschen von Höflichkeiten, nein, mehr interessierte Förmlichkeiten, Zusammenhänge mit dem eigenen Leben finden. Das fällt schwer.
Lehrer treffen, sehen, ihr Alter sehen, sich wieder klein fühlen, denken, dass die Lehrer schon immer, auch physiologisch grösser waren als man selbst. Und die Illusion, dass der Lehrer nach zig Jahren noch immer HIER ist, dabei ist der doch schon meist am Ziel, sogar schon damals, wo Du erst noch hinwillst, oder? Der Gedanke, noch nicht fertig zu sein, nie stehen bleiben zu wollen und zu merken, dass man es in vielen Dingen schon ist. Schließlich ist da schon Familie, und die macht sesshaft.
Nach einiger Zeit am späten Abend, eigentlich schon der Nacht, wenn nur noch sehr wenige da sind, von denen man sich noch verabschiedet, nach Hause gehen. Durch die Nacht. Und das seltsame Gefühl, das plötzlich emporkriecht. Wirklich seltsam, nicht einzuordnen, unbefriedigt, noch offen, noch soviel zu sagen, doch zu wem? Den eigenen Schulweg gehen, so wie früher, ist es vielleicht diese Wehmut? Und mit einem Male merken, wie traurig alles in Dir wird, wie so sehr traurig, weil unerfüllt. Weil unbeantwortet. Später bestimmt wieder nach Hause kommen und weit weg zu sein von diesem allem hier – eine Zeitreise, eine andere Welt auch, eine vierte Dimension, als kehrten alle wieder in ihre Zentren zurück, Kilometer entfernt, Jahre entfernt, hatten sich kurz hier in diesem Fixstern getroffen, Fokus, und driften nun wieder auseinander. Tränen lassen sich plötzlich gar nicht aufhalten, alles sehr seltsam. Und vielleicht ist es dann auch einfach nur das kurz aus dem Gleis geraten. Bald wieder bin ich in meiner gewohnten Umlaufbahn.
Einen traumlosen Schlaf hinter sich bringen, — doch, stopp, da war einer, ein Traum, ein verwirrender, aus der Vergangenheit mit seltsamen Personen und seltsamen Kontakt, so urplötzlich nah und persönlich, wie als Ergänzung – oder Widerspruch – zu dem Erlebten beim Fest. Verwirrt in der Nacht aufwachen, sich zurechtfinden in sich selbst.
In den Morgenstunden ein Spaziergehen, nochmal zurück hierher durch die Gebäudezwischenräume gehen, ohne Menschen, alles so vorzufinden, wie es einmal war. Die kleinen Ecken der Schule wiederfinden, die alle ihre eigene Geschichte haben. Und damit wieder die Zeitmaschine zu verlassen.
Und schließlich im Zug sitzen und nach Jahren wieder einmal mehr als 100 Worte am Stück mit dem Stift aufs Papier bringen. Sich dann besser fühlen. Weil wieder näher an sich dran?