Eine bemerkenswerte dpa-Meldung – gelegentlich auch mit dem Kürzel (dpa/tmn) bezeichnet [Edit: das steht für “dpa-themendienst”] – geistert seit einigen Stunden durch die Online-Angebote der Republik und wird wohl morgen in vielen Zeitungen zu lesen sein.
Anscheinend basiert die Meldung auf einer Pressemitteilung oder einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Das Anliegen der DGGG ist es ganz offenbar, die Kaiserschnittquote zu reduzieren oder einen weiteren Anstieg zu verhindern.
Die Thematik der möglichen Vor- und Nachteile von Kaiserschnitt und natürlicher Geburt für Mutter und Kind ist hochkomplex, facettenreich und wird seit Jahren mit großer Leidenschaft debattiert. Das Anliegen der DGGG kann man deshalb für unterstützenswert halten oder nicht.
Was die DGGG allerdings reitet, im Verbund miit der dpa mit unwahren und unbelegten Behauptungen die Angst der Frauen vor einem Kaiserschnitt zu schüren, steht auf einem anderen Blatt. Schon der Beginn der Meldung erstaunt:
Ein Kaiserschnitt bei der ersten Geburt wirkt sich deutlich auf weitere Schwangerschaften aus. Vielfach haben betroffene Frauen zum einen größere Probleme, danach wieder schwanger zu werden.
Moment. Ein möglicher Zusammenhang zwischen einer Kaiserschnittgeburt und einer abnehmenden Fruchtbarkeit der Frau ist zwar immer wieder diskutiert und in zahlreichen Studien untersucht worden, ohne jedoch überzeugende Belege für einen kausalen Zusammenhang zu finden. Dazu aus einer neueren Veröffentlichung zu der Fragestellung:
Nach unseren Ergebnissen gibt es keinen Unterschied in der Fertilität nach Sectio und nach vaginaler Entbindung, dieser müßte in allen Altersgruppen nachweisbar sein. Unsere Resultate sind in Übereinkunft mit den Ergebnissen einer Studie von Tower et al. [11], in der ebenso keine Beeinflussung der Fertilität durch den Geburtsmodus festgestellt werden konnte. Eine Annäherung an eine Beantwortung dieser Frage kann definitiv nur mit Hilfe von randomisierten Studien beantwortet werden. Diese sind jedoch aufgrund ethischer Limitierungen praktisch nicht durchführbar.
Wir schlußfolgern aus unseren Ergebnissen, daß eine Entbindung per Sectio die zukünftige Fertilität nicht beeinflußt.
Auch eine aktuelle Übersichtsarbeit dazu (Current Opinion in Obstetrics and Gynecology, 2007 Jun;19(3):238-243) kommt zu dem Schluss, dass ein solcher Zusammenhang jedenfalls im Fall von Wunschkaiserschnitten nicht besteht:
Cesarean section has been reported to be associated with decreased subsequent fertility. Recent studies, which have tried to explain this association, suggest that this is most probably voluntary or due to some other biases, or possible confounding factors, which are due to organic or psychosocial effects of an emergency cesarean section or labor preceding the cesarean delivery. Elective cesarean section does not appear to cause infertility.
Noch steiler die These, die die DGGG gleich im nächsten Satz nachlegt:
Zum anderen ändern Frauen nach dem Kaiserschnitt oft ihre Meinung und wollen aufgrund des Erlebnisses doch keine weiteren Kinder, obwohl sie das ursprünglich vorhatten.
Jetzt wird das Eis richtig dünn. Nach “vielfach” und “deutlich” muss jetzt wie in einem Schulaufsatz das Wörtchen “oft” als Beleg herhalten. Gibt es wirklich so viel mehr traumatisch verlaufende (Wunsch-)Kaiserschnitte als traumatisch verlaufende natürliche Geburten?
Und heiligt der Zweck, die Kaiserschnittquote zu senken, jedes Mittel? Auch eine derart krude Kampagne, in der es im Kern darum zu gehen scheint, werdende Mütter mit falschen Behauptungen zu verunsichern?