Schaden Kostendiskussionen dem Ansehen der Ärzte?

Laut der Allensbacher Berufs-Prestige-Skala geniest der Arztberuf von allen Berufen das höchste Ansehen. Mit 76% liegt er auf Platz 1 der Wertschätzungsskala, gefolgt von der Krankenschwester und dem Polizisten. Am unteren Ende der Skala rangieren Politiker, Fernsehmodertoren und Banker. Gerade diese Berufsgruppen tragen ironischer Weiser dazu bei, dass Kostendiskussionen und Honorarfragen im Gesundheitswesen immer wieder lautstark öffentlich geführt werden. – Können diese Diskussionen dem Ansehen der Ärzte schaden?

Gesundheit als Grundwert

Die Wertschätzung der Ärzte korrespondiert vollkommen mit den Wünschen der “Generation Mitte”. Laut Allensbacher Institut halten aktuell die 30- bis 59-jährigen Gesundheit für das wichtigste Gut. Diese Ergebnis deckt sich mit dem Ansehen medizinischer Berufe. Dennoch ist nicht zu übersehen, dass lautstarke Diskussionen zwischen Ärzteverbänden, Politik und kassenärztlichen Vereinigungen Irritationen auslösen.

Die Rolle der Medien

Besonders die Medien greifen die Einkommensfrage gerne auf und verweisen auf die Zahlen des Statistischen Bundesamts. Demnach lagen die Einkommenszuwächse der Ärzte zwischen 2007 und 2011 bei 17%. Das durchschnittliche Brutto-Einkommen liegt nach diesen Zahlen bei etwa 13.800 EUR. Demgegenüber stehen die Klagen der Allgemeinärzte über sinkende Wirtschaftlichkeit und mangelnde Wertschätzung ihrer Arbeit. In diese Diskussion spielt auch die Überregulierung durch die Kassen hinein.

Verteilungsfragen innerhalb der Ärzteschaft

Fakt ist, dass die Honorare innerhalb der Ärzteschaft sehr unterschiedlich verteilt sind und dass diese Berufsgruppe mit der Pharmaindustrie und den Kassen einen Verteilungskampf führt. Außerdem steigen die Kosten im Gesundheitswesen weiter, was mit Hinweis auf die demoskopische Entwicklung und den medizinischen Fortschritt erklärt wird. Weiterhin hat der Eigenanteil für Leistungen der Zahnärzte, Krankenhausaufenthalte, Medikamente und Dienstleistungen die Belastung für den Einzelnen stark erhöht.
Dass Ärzte dennoch hoch geschätzt werden, obwohl manche Kassenpatienten unter steigenden Kosten leiden, liegt daran, dass die gute Gesundheitsversorgung ein Markenkern unserer Gesellschaft ist. Gesundheit ist die Voraussetzung für Erfolg und Leistungsfähigkeit, und sie schafft Lebensqualität. Weil Gesundheit als Conditio sine qua non gilt, sind die Menschen in diesem Land bereit für eine gute Versorgung auch zu bezahlen. Allerdings verbindet sich mit dieser Erwartung auch, dass die Effizienz der Versorgung steigt und der einzelne Arzt immer mehr leisten muss, um ein entsprechendes Honorar zu rechtfertigen.

Deregulierung im Gesundheitswesen

Ein anderer Aspekt der Kosten- und Verteilungsdiskussion, der das öffentliche Ansehen der Ärzte berührt, ist die Armutsdiskussion. Am unteren Rand der Einkommensskala leben Menschen, deren Einkommen oft nicht mehr ausreicht, um Versicherungsbeiträge zu bezahlen oder den Eigenanteil aufzubringen.
Betroffen sind vorwiegend Rentner, Freiberufler, Geringverdiener, Migranten und sozial Schwache. Im Zuge der Deregulierung der Gesundheitsversicherungen sind sie für die Krankenkassen zu einer Belastung geworden. Das Ergebnis sind schlechte Zähne, chronische Erkrankungen mit mangelnder Versorgung und eine geringere Lebenserwartung.
Diese Problematik wird erkannt und besonders von Ärzten, die einen Teil ihrer Patienten pro bono behandeln entsprechend kommentiert und diskutiert. Denn medizinische Versorgung gilt in Deutschland als Grundrecht und wird von vielen politischen Gruppen auch so verstanden und eingefordert. Da gerade in größeren Städten Vereine und Organisationen immer häufiger dafür sorgen, dass Ärzte sich um solche Patienten kümmern, trägt dies sicher auch zum hohen Ansehen der Ärzte bei.

Zeit- und Modeströmungen

Daneben prägen Zeitströmungen Bild und Ansehen des beliebtesten Berufsstandes Deutschlands. Dazu gehören zum Beispiel die alternative Medizin oder eher grelle Diskussionen um Schönheits-Ops. Auch die angeblich wachsende Zahl der Behandlungsfehler oder angeblich überflüssiger Eingriffe wird von einzelnen Medien immer wieder aufgegriffen. Dadurch können sich kleinere gesellschaftliche Gruppen bilden, die dem Arztberuf skeptisch oder ablehnend gegenüberstehen, ohne das positive Gesamtbild zu beeinflussen.
Es ist bemerkenswert: Trotz zahlreicher Diskussionen um Kosten und Versorgung genießen Ärzte nach wie vor das höchste Ansehen aller Berufe. Offensichtlich wird ihrer Leistung mehr Bedeutung zugemessen als den steigenden Kosten im Gesundheitswesen. Und sie werden für diese Kosten eher selten unmittelbar verantwortlich gemacht, was dafür spricht, dass sie mehr ihrem Beruf als ihrem Einkommen verpflichtet sind.

Risiko Unterversorgung

Ändern könnte daran lediglich eine zunehmende Ungleichversorgung verschiedener Bevölkerungsgruppen aus Versicherungsgründen. Dies könnte Kassen-Ärzte dazu bringen, Patienten abzuweisen oder eine Behandlung zu verweigern. Da dies aber ein Problem der Kassen ist und Behandlungskosten, wo notwendig, auch von den Sozialversicherungen übernommen werden, können sich Ärzte trotz Kosten- und Effizienzdruck einer hohen gesellschaftlichen Wertschätzung erfreuen.

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