Aus dem Buch Rezeptierkunde – Leitfaden zum Verschreiben und Anfertigen von Rezepten von Prof. Dr. Med T. Gordonoff
Was muss alles auf das Rezept?
Die Anwendung:
Später folgt das S: Signa oder signetur, die Angabe des Arztes für den Patienten. Der Apotheker schreibt diese Vorschrift des Arztes für den Patienten ab: wie oft und auf welche Weise er das Mittel einnehmen soll, vor dem Essen oder nach dem Essen, mit wieviel Wasser oder ohne Wasser usw. Der Arzt kann es vermeiden alles auf das Rezept schreiben zu lassen, dann soll er aber nicht vergessen den Patienten auf das genaueste aufzuklären: schon mancher Patient hat sich die grösste Mühe gegeben, eine Tablette ohne Wasser herunterzuschlucken oder auch ein Suppositorium, ohne es vom Stanniol zu befreien, in das Orificium ani zu stecken. Der Apotheker schreibt in diesem Falle auf die Arznei: Nach Bericht zu nehmen.
Tabletten ohne Wasser? Genau angeben, wieviel Wasser? Heute fast nicht mehr verständlich … immerhin gehören Tabletten zu den häufigst angewendeten Arzneiformen – da fällt das wohl unter Allgemeinbildung. Aber auch ich hatte schon Leute, die Kapseln gekaut haben. Und Zäpfchen versucht haben zu schlucken … von dem her finde ich das ‚zu nehmen’ in der Beschreibung auch nicht optimal .
Die Sprache des Rezeptes ist, wie gesagt, lateinisch. Bei den mangelnden Kenntnissen in lateinischer Sprache ist auch das Latein kein reines Latein mehr, sondern ein Gemisch von lateinischen und landessprachlichen Worten, eine Art „Barbarismus“. So z.B. liest man auf einem Rezeptformular:
„Detur in einem braunen Glas“ oder „Adde einen Tropfer“ usw. Diese lateinisch-deutsche Sprachmengerei hat sich aber so eingebürgert, dass kein Arzt oder Apotheker an ihr Anstoss nimmt …
Heute ist das Latein weitgehendst aus dem Rezept verschwunden. Man findet es höchstens noch bei Rezepturen oder Anmerkungen …
Die Arzneimittel werden verschrieben im Genitiv. Z:B. Rp. Kalii iodati 4.0
Soll heissen: Recipe quattuor grammata Kalii iodati, Nimm des Kalii iodati 4 g
…
Im allgemeinen ist es nicht statthaft, das Rezept zu stark abzukürzen. So z.B. wenn der Arzt das Kalium chloratum (KCl) abkürzt als Kal. Chlor., so könnte der Apotheker wenn er nicht daran denken würde, das Kalium chloricum abgeben (KClO3), das ein starkes hämolytisches Gift ist.
…Der Arzt kürzt überhaupt sehr gerne ab, besonders wenn er nicht den Genitiv ableiten kann, was leider sehr oft der Fall ist: da hilft der Punkt aus. So machen z.B. die meisten Studierenden einen Fehler beim Genitiv der Kalomels: man liest sowohl Calomeli, wie auch bei den besser orientierten Calomelani trotzdem ist beides falsch: richtig ist Calomelanos.
Schreibt der Arzt Calomel., so ist der Punkt ein Helfer in der Not: dem Apotheker nimmt er die Gelegenheit sich im Stillen über den ungebildeten Doktor lustig zu machen, und dem Arzt gibt er die Möglichkeit, seine Unkenntnis zu verbergen.
Abkürzungen sind somit gestattet, sofern sie zu keinen Verwechslungen mit anderen Substanzen oder zu Irrtümern Anlass geben können.
Jetzt mal Hand hoch, liebe Apotheker: wer von Euch hätte die richtige Form des Genetivs gewusst? Irgendwelche Lateiner unter Euch? Ich muss zugeben: ich hatte Latein … aber 20 Jahre später – und ich wusste das auch nicht mehr. Mit Abkürzungen muss man aber auch heute noch sehr vorsichtig sein. Nicht jeder Apotheker kann wissen, dass TDF Tardyferon heissen soll – auch wenn das vielleicht in dem Spital üblicherweise so abgekürzt wird.
…
Das Calomel. hat mich interessiert – sagte mir so gar nichts, also habe ich es nachgeschlagen:
Kalomel = Quecksilber(I)-chlorid (von altgriechisch kalos ‚schön‘ und melas ‚schwarz‘, also „schönes Schwarz“; früher auch süßes Quecksilber, Quecksilberchlorür oder Quecksilberhornerz) ist ein farbloser Feststoff, der sich in Wasser nur sehr wenig löst und bei ca. 380 °C sublimiert. Die Summenformel lautet Hg2Cl2.
Da es wegen seiner äußerst geringen Wasserlöslichkeit vom Körper kaum resorbiert wird, fand es vielfältige Anwendung in der Medizin: gegen Entzündungen in Nase und Rachen, als Abführmittel, zur Anregung der Gallenfunktion, gegen Brechdurchfall, bei Wassersucht, Milz-, Leber-, Lungenleiden und gegen Syphilis, sowie äußerlich gegen Hornhautflecken, Geschwüre und Feigwarzen.
Außerdem wurde es bis in die 1990er-Jahre als Spermizid in chemischen Verhütungsmitteln eingesetzt.
– Umm, noch etwas, was heute ausser vielleicht in Homöopathika nicht mehr zu finden ist. Brrrr. Aber damals noch gang und gäbe.
Wie stelle ich ein Rezept aus – anno 1936 (1) Einleitung
Wie stelle ich ein Rezept aus – anno 1936 (2) Zusammenarbeit mit Apotheken
Wie stelle ich ein Rezept aus – anno 1936 (3) – wie sieht das Rezept aus?