Eine laue Herbstnacht. Die Schicht ist bis jetzt bemerkenswert beschissen; viermal hintereinander die gleiche akute Erkrankung, die in unserem Krankenhaus im Ort nicht behandelt werden kann und eine weite Fahrt zu einem anderen Krankenhaus erfordert. Wir sehnen uns also nach Abwechslung und vor allem mal nach kürzeren Rückreisen. Beides sollen wir bald bekommen …
Hier in der Stadt gibt es nicht wirklich viel zu tun für Jugendliche. Man kann sich betrinken. Man kann sich prügeln. Man kann sich betrinken und sich dann prügeln. Idealerweise in dem Moment, wenn wir gerade unser verspätetes Abendessen im “Restaurant zum Goldenen M” geordert haben. ; )
Voll Begeisterung lassen wir unser Nachtmahl zurück und machen uns auf den Weg zum Ort des Geschehens. Hurra!
Dort angekommen, treffen wir auf die Polizei, die Reste vom Feste und die Unterlegenen der körperlichen Meinungsverschiedenheit. Die Reste vom Feste bestehen netterweise aus massenhaft blutigen Glasscherben und einem abgebrochenen Flaschenhals auf dem Bürgersteig. Inmitten dieser wenig ansprechenden Dekoration liegt ein ungefähr fünfzehnjähriges, weinendes Mädchen, getröstet von einer etwa gleichaltrigen Freundin. Daneben steht ein vielleicht zwei, drei Jahre älterer Junge und kocht vor Wut (nein, leider kein Abendessen für uns).
Weder das weinende Mädchen noch der pöbelnde Junge sind in der Lage, uns zu erzählen was los ist, also übernimmt die tröstende Freundin.
Offensichtlich hat man zusammen mit ein paar anderen Leuten den schönen Tag mit ein wenig hochprozentigem Alkohol ausklingen lassen, als (wie überraschend!) die Stimmung kippte. Einer der “anderen” hat Streit mit dem (jetzt pöbelnden) Jungen angefangen, und seine (jetzt weinende) Freundin hat sich zwischen die beiden gestellt, um die Situation zu entschärfen. So weit, so harmlos. Der andere Typ hatte aber keine Lust, sich wieder zu beruhigen und räumte das Mädel aus dem Weg, indem er ihr die leere Wodkaflasche über den Hinterkopf zog, als sie sich gerade zu ihrem Freund umdrehte.
Als sie dann zusammenbrach, bekam er wohl doch ein wenig Angst und rannte davon.
Tja.
Wir haben das Mädchen dann eingesammelt und sie uns im hellen, warmen RTW mal ein bisschen genauer angeguckt. Bis auf eine kleine Beule hatte sie keine sichtbaren Verletzungen davongetragen; das Blut auf dem Boden stammte von ihrem Freund, der einen der Glassplitter ins Gesicht bekommen hatte.
Keine äußeren Verletzungen heißt aber nicht, dass sie durch den Angriff keine gefährlichen Verletzungen innerhalb des Schädels davongetragen hat, also bringen wir sie ins nahe Krankenhaus (juhuu! Keine Weltreise!), damit sie dort untersucht werden kann.
Während wir sie im Untersuchungsraum unterbringen, platzt ihr Freund fast vor Stolz und erzählt mit glühenden Augen, wie toll es doch sei dass sie ne Flasche über den Kopf bekommen hat und nichtmal blutet… “Ich hab die beste Freundin der Welt!” strahlt er mich an. Ich murmel nur “Stimmt nicht, mein Freund hat die beste Freundin der Welt” und wende mich kopfschüttelnd ab.
Der Typ sieht, wie mein Kollege sich mit dem Sterillum neben der Tür die Hände desinfiziert und nimmt sich direkt auch mal ne Handvoll davon – für seine Schnittwunden im Gesicht. Soviel dazu …
Während wir draußen vor der Notaufnahme unseren RTW wieder fit machen, rotten sich draußen einige Jugendliche zusammen, der Freund unserer Patientin ist auch dabei. Die Vollpfosten haben überhaupt nichts aus der ersten Schlägerei gelernt und planen jetzt lautstark, einige weitere Leute zusammenzutrommeln um es den Angreifern mal so richtig heimzuzahlen, und machen sich vom Acker.
Wir freuen uns auf eine lange Nacht …
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