Stadieneinteilung und Blutergebnisse der Borreliose
Vorbemerkung
Um es gleich vorweg zusagen: Dies wird kein üblicher Artikel über die Stadieneinteilung und Laboruntersuchung im Falle der Lyme-Erkrankung. So ist die komplette Serie auf Der andere Hausarzt nicht gestrickt. Hier geht es um wesentliche Einsichten, die jenseits der üblichen Information stehen. (Denn nur eine einzige Aussage bezüglich der Borreliose ist hundertprozentig zutreffend: Niemand kennt bis heute der Weisheit letzten Schluss.)
Die Stadieneinteilung der Borreliose ist nicht so einfach, wie sie zunächst erscheint. Sie wird meiner Meinung nach vor allem von medizinischen Laien überbewertet. Diese Einteilung ist nicht viel mehr als eine Hilfskonstruktion. Die klare Einstufung von Stadium I, II und III trifft oft nicht die Realität. Deswegen wird es manchen Leser überraschen, dass ich die Stadieneinteilung hier nur erwähne. Wer sich genauer interessiert, ist auf Wikipedia oder beispielsweise der Seite von Privat-Dozent Dr. med. Wolfgang Hübel, Wien besser aufgehoben.
Stadieneinteilung der Borreliose kann nur Orientierung sein.
Die Verlässlichkeit der Stadieneinteilung ist aus mehreren Gründen eingeschränkt:
1. bei Weitem nicht immer werden die Stadien von I nach III klassisch durchlaufen (Beispiel: Stadium I “wandernde Röte” tritt nur in 50-60% der Fälle auf)
2. eine Borreliose kann in jedem Stadium spontan oder durch medizinischen Einsatz, der nur wenig stadienabhängig ist, ausheilen
3. der Verlauf einzelner Stadien ist ausgesprochen unterschiedlich in Bedeutung und Schwere
4. die handfesten diagnostischen Mittel, wie die Labordiagnostik (Blutuntersuchung), sind eingeschränkter verwertbar als selbsternannte Borreliose-Spezialisten uns das einreden wollen. Deswegen wird bisher
5. ein Screening (Reihenuntersuchung) per Blutuntersuchung nicht für praktikabel gehalten, schon gar nicht, um ein bestimmtes Stadium zu ermitteln
6. ist die chronische Verlaufsform der Lyme-Erkrankung sehr selten (mir ist klar, dass den Betroffenen diese Seltenheit nichts nützt)
7. eine strikte Stadieneinteilung fördert das Geschäft mit der Angst
Labordiagnostik der Borreliose
Dieses komplexe Thema lässt sich im Wesentlichen auf drei Aussagen reduzieren:
1. Krankheitsgeschichte und Krankheitszeichen stehen vor der Blutentnahme. Will heißen: Ohne Zeckenkontakt und ohne typische Krankheitssymptome einer Lyme-Erkrankung ist auch eine Blutuntersuchung relativ nutzlos. Diese Tatsache entspricht auch der Feststellung, dass ein Screening nicht praktikabel ist
Hier sei ein kleiner Exkurs erlaubt, der auch übersprungen werden kann: Es wird heutzutage von Patienten- und Arztseite immer üblicher, sich auf technische Ergebnisse zu verlassen. Ich will das anhand der Bandverletzung am Knie -oder Sprunggelenk erklären:
Bei dem Verdacht auf eine solche Bandverletzung ist nicht die Röntgenaufnahme die wesentliche Untersuchung. So ist eine Bandverletzung meist nicht erkennbar. Auch das MRT ist nicht die Untersuchung der ersten Wahl, zumal häufig viel zu viel Zeit vergeht, bis die „Röhre“ bereit steht. Die wesentlichen Dinge bei Verdacht auf eine Bandverletzung sind die Frage nach Unfallhergang und Verletzungsmechanismus, das Abtasten des Gelenkes und die Überprüfung der Funktion. Röntgen und MRT sind dann eher verzichtbar. Die moderne Medizin stellt sich, was dies betrifft, zunehmend von den Füßen auf den Kopf
2. verwertbare Blutergebnisse beziehen sich im Wesentlichen auf die Verlaufsbeobachtung. Ein einziger Antikörper-Wert sagt wenig bis nichts aus über das Vorhandensein einer Lyme-Krankheit.
3. unabhängige Fachleute sind der Meinung, dass Spezial-Blutuntersuchungen, wie LTT, CCS, PCR und wie sie alle heißen eher von zweifelhafter Bedeutung sind.
Dazu noch eine grundsätzliche Bemerkung: Hausärzte, wie andere behandelnde Ärzte auch, verlassen sich in Sachen medizinischer Spezialthemen auf Ergebnisse und Veröffentlichungen von unabhängigen und seriösen Spezialisten – nicht auf die Meinungen von Gurus, die sich gern ihr “Spezialwissen” vorrangig von den Betroffenen bezahlen lassen. Ich würde behaupten, und damit setze ich mich wahrscheinlich wieder einem Sturm der Entrüstung aus: In Bezug auf die Borreliose gibt es nichts Wichtiges an Diagnostik und Therapie, was der Patient aus eigener Tasche bezahlen müsste. Im Gegenzug heißt das: Das, was wichtig und richtig ist, übernehmen die Krankenkassen.