Patientenverfügung III

Was ist eine Patientenverfügung?
Beginnen wir damit, was eine Patientenverfügung nicht ist: Sie ist kein Patiententestament. Ein Testament klärt die Verhältnisse nach unserem Tod, eine Patientenverfügung soll aber unser Sterben klären. Sterben ist die Phase vor unserem Tod, gleichsam eine Übergangsphase, eine Phase in der wir definitiv noch leben.
Für den Fall, dass wir uns in dieser Übergangsphase nicht mehr äußern können, ist die Patientenverfügung da. Sie ist eine Vorausverfügung unseres Willens für die Zeit, in der wir nicht mehr in der Lage sind, unseren Willen zu bekunden, was das eigene Leben und Sterben betrifft. Und nichts anderes! Es geht nicht um unser Haus, um unsere Juwelen und unser Auto, es geht ausschließlich um die Art und Weise unseres Lebens und Sterbens in der Phase vor unserem Tod. Für den Fall, dass wir uns noch äußern können, ist eine Patientenverfügung überflüssig. Wir können dann sagen, was wir denken und wollen.
Theorie und Praxis
Das klingt einfach und sehr begrenzt. Aber glauben Sie mir, diese Phase ist kompliziert und verschieden genug, was den Lebensabschnitt betrifft, was ihre Länge, ihre Qualität und ihre Handhabung angeht. Und glauben Sie mir weiterhin, keiner der Beteiligten bleibt lupenrein rational, also vom Wissen gesteuert. Jeder der Beteiligten wird auch mehr oder weniger emotional reagieren, also gefühlsmäßig. Zu den Beteiligten gehören der Kranke selbst, seine Angehörigen, seine behandelnden Ärzte und das Pflegepersonal. Im Hintergrund lauert als Beteiligter das Gesetz.
Verstand… Gehen wir die Beteiligten einzeln durch und setzen einen Fall mit perfekt erarbeiteter Patientenverfügung voraus, den Fall von Martha K.:
Martha K. ist 78 Jahre alt. Keine Beatmung, keine Wiederbelebung, keine operativen Eingriffe sind ihre ausformulierten Wünsche, die in ihrer Patientenverfügung stehen. Sie hat in dieser Beziehung formell alles richtig gemacht, hat mit ihren Verwandten gesprochen, mit ihrem Hausarzt und hat einen kurzen, handgeschriebenen Text der Verfügung beigelegt, in dem sie ihre Einstellung zum Leben und Sterben bekundet. Nun ist sie bewusstlos und ihre Atmung ist unzureichend. Sie bräuchte eine künstliche Ergänzung, aber eine künstliche Beatmung ist von ihr selbst nicht erwünscht, sie hat sie sogar ausdrücklich „verboten“. Alle Beteiligten kennen die Einstellung der Patientin, sind sich klar darüber und es gibt eben dieses gut ausgearbeitete Schriftstück.
…und Gefühl
Hier die möglichen emotionalen Komplikationen, die trotz allem sein können:
a)Beginnen wir mit Ihrem Ehemann. Er sieht seine Ehefrau bewusstlos, friedlich und irgendwie ganz gesund daliegen und fragt: Können wir ihr nicht doch helfen?
b)Der Sohn kommt aus Amerika geflogen. Seine Schwester, also die Tochter der Kranken, weiht ihn ins Geschehen ein. Der Sohn rastet aus und schreit, die Ärzte sollen gefälligst alles tun, was in ihrer Macht steht.
c)Eine der pflegenden Krankenschwestern spricht den Ehemann der Kranken auf dem Flur an und fragt: Wollen Sie Ihrer Frau wirklich nicht helfen lassen?
d)Einer der Ärzte von der Intensivstation betont, dass rechtlich alles in Ordnung sei. Die Patientenverfügung, die Information der Angehörigen und des Hausarztes, alles sei bestens geregelt. Sie könnten tatsächlich auf die eigentlich notwendigen Therapiemaßnahmen verzichten, aber als Christ würde er die Sache ganz anders sehen.
e)die Patientin erwacht kurz aus ihrer Bewusstlosigkeit und flüstert: „Kann mir denn niemand helfen?“ Dann dämmert sie wieder ein.
Mehr als nur Papier
Eines wird aus alldem deutlich, eine Patientenverfügung ist weit mehr als ein Stück Papier. Deswegen dauert es auch so lange, bis ich auf den Punkt komme. Der Punkt, das Formular mit Unterschrift, ist weit weniger wichtig als die meisten Menschen denken. Wichtig, ist sich über die eigene Einstellung klarzuwerden und den erarbeiteten Standpunkt mit den Nächsten und dem Hausarzt zu besprechen.
Lesen Sie weiter in dieser Reihe auf www.der-andere-hausarzt.de nach einem 2-wöchigen Urlaub.

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