Die #icebucketchallenge wurde Anfang des Sommers von Corey Griffin ins Leben gerufen und ging vor allem durch die Teilnahme von dessen Freund Ex-Baseballspieler Pete Frates (der selbst an ALS erkrankt ist) viral. Bei der Wette schütten sich die Herausgeforderten einen Kübel Eiswasser über den Kopf und nominieren im Anschluss drei Leute, die es ihnen binnen 24 Stunden nachmachen oder an eine ALS-Organisation spenden müssen. Bislang kamen über 53,3 Millionen US-Dollar zusammen (Stand 22. August), allerdings zieht die Challenge weiterhin Kreise und hat nicht nur einmalige Spenden, sondern auch zahlreiche neue Dauerspender generiert. Die Internet-Wette hat sich aus der Cold Water Challenge entwickelt und ist seit Juni, ausgehend von den USA, ein weltweiter Internet-Trend. Unter den Hashtags #IceBucketChallenge und #StrikeOutALS finden sich auf Youtube, Facebook, Twitter und Instagram tausende Videos. Laut New York Times wurden allein zwischen dem 1. Juni und dem 13. August 2014 1,2 Millionen Videos zur Ice Bucket Challenge hochgeladen. Steven Spielberg, Bill Gates, Mark Zuckerberg und Matthias Müller von Blumkron haben sich der Wette gestellt. Einen besonderen Einblick bietet aber das Video von Anthony Carbajal, der selbst an der Krankheit erkrankt ist und an der #icebucketchallenge auf seine ganz eigene Art teilnimmt.
Mittlerweile wird die Kritik an den Videos laut, denn die Krankheit, wegen der die Eis-Herausforderung entstanden ist, geht häufig unter. Deshalb sprachen wir mit Dr. Johannes Wimmer, Parlamentarier im Young Lions Gesundheitsparlament und der Internet-Gemeinde bekannt als „Dr. Johannes“ über Amytrophe Lateralsklerose (ALS).
Die Ice Bucket-Challenge sorgt momentan für Aufmerksamkeit, aber was genau ist ALS eigentlich?
Johannes: „Bei ALS ist es zunächst wichtig zu wissen, dass es sich um eine extrem seltene Krankheit handelt. Sie gehört zu den sogenannten „orphan diseases“, Menschen erkranken im Mittel mit einer Prävalenz von 5 / 100.000 daran. Im Vergleich dazu hat Multiple Sklerose eine Prävalenz von 150 / 100.000 und selbst diese Krankheit ist für die meisten nur ein Begriff, den sie einmal gehört haben. Medizin und Forschung beißen bei ALS bislang noch auf Granit. Man unterscheidet zwar drei unterschiedliche Formen, leider weiß man aber in 80 Prozent der Fälle nicht, wie die Krankheit genau entsteht. Lediglich bei 20 Prozent kann eine genetische Komponente ausgemacht werden. Genetisch heißt, dass sie entweder vererbt wird oder plötzlich in den Genen auftritt. Im Schnitt sind die Erkrankten etwa 60 Jahre alt, wobei immer mehr junge Menschen zu erkranken scheinen und Männer etwas häufiger als Frauen betroffen sind.”
Was passiert bei der Krankheit?
Johannes: „Bei Patienten, die an ALS erkranken, bauen sich die Muskeln ab. Dabei gibt es zwei häufige Formen: Entweder verläuft ALS in den Gliedmaßen und geht von Händen und Füßen weiter in Richtung Körper oder sie beginnt beispielsweise an den Augen oder im Mund, was zu Problemen der Augenbewegung und des Sprechens führt. Der Betroffene bekommt die Krankheit und das Schwinden seiner Muskelkraft komplett mit. Du spürst also, wie dein Körper nach und nach die Kraft verliert. Es gibt bislang keine Heilung. Die bestehenden Behandlungen fokussieren sich darauf, die Probleme zu lindern und die Lebensqualität möglichst zu erhalten, aber es ist ein Kampf gegen die Zeit. Patienten sterben innerhalb von 3-5 Jahren nach Beginn der Symptome an Atemstillstand oder Herzversagen.“
Warum glaubst Du, hat die Krankheit mit der Ice Bucket Challenge nun so viel Aufmerksamkeit erhalten?
Johannes: „Das ist ja in Amerika oft so. Kampagnen mit Social Engagement funktionieren dort sensationell. Die Bereitschaft bei sowas mitzumachen ist in den USA phänomenal. Das passiert ja auch häufig für andere gute Zwecke, dieses Mal ist die Kampagne allerdings auch einmal zu uns rüber geschwappt. Dadurch, dass es ein Massenphänomen geworden ist, wird es allerdings auch manchmal zum Problem.
Leider gibt es Leute, die sich Eiswasser über den Kopf schütten ohne ALS überhaupt zu erwähnen, also einfach nur weil es cool ist mitzumachen. Zum Bespiel Sylvie Meis, die sich damit inszeniert ohne einen Hinweis auf ALS zu nennen, sehr wahrscheinlich wusste sie gar nicht, dass ein sehr ernstes Anliegen dahinter steht.
ALS ist ernsthaft und eine schmerzhafte Erkrankung. Als Patient oder Angehöriger würde ich mich über solche Videos voller Selbstdarstellung ziemlich ärgern. In den USA gehen die Überweisungen an ALSA.org; in Deutschland wissen die Leute ja noch nicht mal, wohin sie spenden sollen. Es gibt eben Leute, die machen es richtig und es gibt Leute, die sehen nur den Fun Factor. Ein schönes Beispiel, wie man es richtig macht, ist das Video der Foo Fighters. Zum einen geben sie sich viel Mühe für das Video und zum anderen erinnern sie mit einem Link zum Schluss daran, warum das eigentlich alle machen.”
Mittlerweile gibt es auch zahlreiche Best-of #icebucketchallenge-Videos verschiedener Challenger im Netz zu finden.
Der Düsseldorfer Künstler Jörg Immendorff, der amerikanische Triathlet Jon Blais und der Baseballspieler Lou Gehrig (nachdem die Krankheit streckenweise auch benannt wurde) starben an ALS und machten die seltene Muskelerkrankung weltweit bekannt.
Spenden gehen unter anderem an: http://www.alsa.org/fight-als/ice-bucket-challenge.html