Sexuelle Belästigung – sind es immer nur die Männer?

Viele Leserinnen und Leser haben sich an der gestrigen Umfrageaktion beteiligt, zu der Molly und meine Wenigkeit gemeinsam aufgerufen hatten.
Während ich das Thema auf gewohnt-zynisch-überzeichnete Weise angerissen habe, hat Molly einfach ein paar ganz normale Alltagssituationen geschildert, denen sie als Frau ausgesetzt ist.
Und da ist was dran:
Ich als Mann kann locker erhobenen Hauptes nachts um halb eins alleine durch das übelste Rotlichtviertel spazieren und fühle mich immer noch halbwegs sicher – Molly muss sich in gewissen Situationen schon in ihrem idyllisch-verschnarchten Heimatkaff Gedanken machen.
Die #Aufschrei-Debatte ist gerade mal ein Jahr alt. Sind Frauen also immer noch und überall sexuelles Freiwild und wir Männer die bösen Jäger?

Wer hat jetzt eigentlich von vorherein festgelegt, dass Frauen nur die Belästigten und Missbrauchten und Männer nur die Belästiger und Missbraucher sind?

fragt Leser Karl.
Leserin Tante Jay kommentiert:

Mein Kritikpunkt wäre wirklich gewesen: Warum die Fixierung auf Männer als Täter und Frauen als Opfer. Die Realität sieht bei weitem nicht so aus.

Vor wenigen Tagen ging eine Nachricht aus den USA um die Welt: Zwei Lehrerinnen werden des Geschlechtsverkehrs mit einem sechzehnjährigen Schüler verdächtigt, ihnen drohen lange Haftstrafen. Solche Geschichten tauchen immer wieder mal auf.
“Für den Jungen war das doch so etwas wie ein Lottogewinn!” sagt man da gerne augenzwinkernd… Wirklich?
Und wenn ein männlicher Lehrer dasselbe mit einer minderjährigen Schülerin anstellt, was ja wohl auch immer wieder mal vorkommt?
Tante Jay wies mich auf eine interessante Studie hin, die von der Opfer-Selbsthilfegruppe MOGIS e.V. durchgeführt wurde: Wohlgemerkt, hier geht es um Missbrauch und nicht “bloß” um Belästigung! Ob diese Studie – von ihrer Konzeption und Durchführung her wissenschaftlichen Kriterien entspricht, kann ich nicht beurteilen. Aber um so einen ganz groben Trend abschätzen zu können, denke ich mal, kann man sie schon brauchen.
Also:
502 Personen nahmen an der Befragung teil, knapp die Hälfte der Teilnehmer waren Opfer von sexuellem Missbrauch. Ein Drittel von diesen Opfern waren Männer!
Und weiter heißt es in der Auswertung:

Als Täter wurden in diesem Zusammenhang zu 82% (119 von 145) Männer, zu 5% (7 von 145) Frauen und zu 13% (19 von 145) Männer und Frauen genannt. (…) Die Befragten gaben also zu 95% männliche und zu 18% weibliche Täter an.

Stellen wir also fest:

  • Schätzungsweise zwei Drittel der Opfer sind Frauen, etwa ein Drittel sind Männer
  • An fast allen Taten sind Männer als Täter beteiligt, an einem Fünftel der Taten sind Frauen als Täter beteiligt. Wenn Frauen als Täter beteiligt sind, dann meist gemeinsam mit Männern

Tatsache ist: jeder “Fall” ist einer zuviel.
Und die Opfer bleiben ihr Leben lang traumatisiert.

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