Endlich erwische ich den Kollegen Kalle – den wohlbekannten Kalle mit der größten Kodderschnauze von Bad Dingenskirchen und Umgebung. Er sitzt im Schwesternzimmer, mampft Kuchen, schlürft Kaffee und hat sich hinter der Tageszeitung versteckt, die er einem Privatpatienten stibitzt hat.
“Ich habe gehört, Madame Jaqueline war letztens bei uns?”
Kalle legt die Zeitung weg.
“Wer hat Dir denn das erzählt?”
“Man hat so seine Quellen.”
Kalle lächelt, beißt ein Stück Kuchen ab, kaut und lächelt immer noch.
“Jetzt erzähl schon: Was hatte sie denn? Unklare Unterleibsbeschwerden?”
“Nein, aus dem Alter ist sie inzwischen raus. Es ging um ihr Asthma. Hatte eher etwas mit den sechzig Zigaretten zu tun, die sie jeden Tag wegqualmt.”
Madame Jaqueline muss inzwischen so um die Sechzig sein, wiegt geschätzte hundert Kilo und verfügt über eine wallende, rauschgoldengelhafte wasserstoffblonde Haarpracht. Ab und zu sieht man sie bei schönem Wetter in einem Straßencafés am Bad Dingenskirchener Marktplatz, wo sie, beschützt von muskulösen und gutaussehenden jungen Bodyguards bei Sekt und Cremetorten Geschäfte tätigt. Immer in Sichtweite sind ihr pinkfarbenes Cabrio und der Yorkshireterrier mit pinkfarbener Schleife.
“Was erzählt sie denn so?”
“Ooch, wir haben ein wenig geplaudert… über ihre Vergangenheit… als sie noch Mademoselle Jaqueline war. Sie war ja zwanzig Jahre lang im Operativen Geschäft tätig. Die hat was erlebt, das kann ich Dir sagen!”
“Und was macht sie jetzt?”
“Sie ist Hausdame. Das auch schon seit zwanzig Jahren.”
“Hausdame nennt man das heute?”
Wieder mal einen neuen Begriff gelernt.
“Wie, das weißt Du nicht?”
Kalles Entsetzen war gespielt.
“Erzähl, was macht denn so eine Hausdame im Puff?”
“Sie hält die Zuhälter auf Distanz. Sie kümmert sich um die neuen Mädels. Wer bei ihr anfängt, muss erst einmal drei Tage lang üben, Kondome auf Besenstiele aufzuziehen. So lange, bis sie das blind und einhändig kann, ohne hinzuschaun in einer halben Sekunde. Die Gummis sind schließlich deren Lebensversicherung, schärft sie ihnen ein!”
“Und wie oft gehen die kaputt?”
“Das habe ich Madame Jaqueline natürlich sofort gefragt. Sie sagte, dass ihr das während der zwanzig Jahren im Operativen Geschäft insgesamt genau fünf Mal passiert ist. Was hingegen öfter vorkommt ist, dass die Dinger abrutschen. Wenn der Kunde einen Hänger hat, zum Beispiel.”
“Einen Hänger?”
Im operativen Horizontalgewerbe gibts offenbar einen durchaus interessanten Berufsjargon.
“Du weisst schon…”
“Da gehört nicht viel Phantasie dazu. Aber um bei der Frage zu bleiben: Wie häufig sind denn nun so Kondom-Unfälle, welcher Art auch immer?”
“In der Branche wohl sehr selten… aber man kann ja schließlich nicht alle Jugendlichen zu einem dreitägigen Besenstiel-Praktikum verdonnern!”
Da ist was dran.
Aber in einer stillen Stunde… wenn niemand hinschaut einfach mal herumzuspielen… mit einem Besenstiel… das wäre vielleicht gar kein schlechter Tipp…