Nach einem kurzfristigen beruflichen Wechsel und einem ebensolchen Umzug ins schöne Ruhrgebiet forsche und lehre ich nun als Vertretungsprofessorin an der Universität Duisburg-Essen. Das ist auch der Grund für meine etwas längere Funkstille – es gab einfach echt viel zu tun, sowohl, was die Vorbereitung der Lehre angeht (meine erste Vorlesung!), als auch, was den Umzug selbst betrifft (man macht sich ja vorher wirklich kein Bild, wie viel Kram sich über die Jahre so ansammelt!). Die Ideen zum Thema Hochbegabung sind mir über den Ortswechsel aber nicht ausgegangen!
Related Posts
Musterdatenschutzerklärung für Arzt-Homepages
Hier finden Sie eine Musterdatenschutzerklärung, die Ärzte auf ihre Homepage als Datenschutzerklärung stellen können.
Typisch deutsch: ganz oder gar nicht
Wer Deutschland verstehen will, der sollte die Debatte um die Teilarbeitsfähigkeit verfolgen (Hintergründe hier, hier und hier). Für typisch deutsch halte ich die Akribie, mit der etwas eigentlich recht Einfaches für jeden denkbaren Einzelfall durchdekliniert wird. Wie man meint jedes Detail des täglichen Lebens mit einer gesetzliche Regelung abdecken zu müssen. Wie man Angst vor jedem potentiellen Risiko … Typisch deutsch: ganz oder gar nicht weiterlesen
Freiwillig
Altbau am Bahnübergang. Ein heruntergekommenes Mietshaus. Schäbige Briefkästen, klapperige Türklingeln, nicht alle lesbar. Ein muffiger, dunkler Flur. Der Arzt wundert sich manchmal, wie schäbig man in dieser Stadt wohnen kann.
Im Treppenhaus schreit ihm eine Männerstimme entgegen. Wütend, aufgeregt: “Bleiben Sie, wo Sie sind. Sie brauchen nicht raufzukommen. Wir brauchen keinen Arzt. Weg mit Ihnen!” Mal sehen, ob ALLE dieser Meinung sind, dort oben. Dritter Stock, große Altbauwohnung, unaufgeräumt, vernebelt, rauchverhangen. Im Wohnzimmer hat sich die Ehefrau verschanzt mit den drei kleinen Kindern. Sie raucht. Der Größte zeigt mir seinen Gameboy. Die Eltern des Patienten sind in der Küche. Er, um den es geht, Vater der Kinder, Sohn der Eltern, der den Arzt so freundlich begrüßte, tobt durch den Flur. Fremdanamnese: Er habe viel gekifft und sei viel rumgezogen die letzten Tage. Immer verworrener und aggressiver geworden. Frau und Kinder bedroht. Sich selbst bedroht. Und, ja, er sei auch schon mal wegen einer Psychose in … gewesen.
Der Arzt lädt den Patienten auf eine Zigarette ein. Der Gesprächsversuch mündet bald in wütenden Schuldzuweisungen zwischen den Familienmitgliedern. Lauter Streit, noch mehr Rauch. Die armen Kinder. In die Psychiatrie? Nie wieder! Nicht freiwillig. Vergiss es! Er läuft weg. Die Frau flüstert: “Jetzt holt er die Messer”. Doch er hat nur Tabak geholt. Der Arzt gibt ihm zwei Möglichkeiten: Zwangseinweisung oder Freiwilligkeit. Nein, andere Möglichkeiten gibt es nicht. Entweder oder. Zwangseinweisung käme jetzt allerdings völlig unpassend. Dauert ewig. Draussen warten die nächsten Patienten. Und hier geht das schon seit 20 Minuten nicht voran. Schonmal RTW mit Blaulicht rufen. Klare Ansage. Kompromisslos. Wille gegen Wille.
Langsam lichtet sich der Nebel. Die Situation entwirrt sich. Nimmt eine Richtung an: Freiwillig in die Psychiatrie, der Familie zuliebe. Bitte! Kein Gestreite, keine Schuldzuweisungen, kein Geschrei mehr. Als der RTW unten vorfährt packt er seinen Tabak ein und folgt dem Arzt die Treppe runter.
Freiwillig.