alte männer

ab und an gehe ich hier um die ecke zum mittagstisch, kleine kneipe mit angehängtem metzger, wie in jeder kleineren stadt. schönes zünftiges essen, kostengünstig, danke. und dann sitze ich da, schaufele meine kartoffeltaschen mit quark in mich rein, wahlweise backfisch mit salat oder schnitzel mit pommes, und betrachte mir so die leut.

männer nehmen vor allem den mittagstisch ein. angestellte der umliegenden firmen, sparkassen, geschäfte. frauen gibts hier weniger, bis auf die drei damen vom grill hinter der theke. manchmal verliert sich die kassiererin vom supermarkt hierher, aber meist sinds die männer. und die in kleinen grüppchen. ich kenne sie inzwischen alle. da gibts den bärtigen mit dem großen lulatsch, jeden tag kommen die zwei, jeden tag bestellen beide eine portion pommes und jeden tag das obligatorische bierchen. einseitige ernährung, was ist das?

dann die „vier herren von der bank“, so nenne ich sie für mich im stillen, die zwei mittelbauangestellten, vorne weg der filialleiter, interessanterweise einen kopf größer, und hinterher der banklehrling, im zu weiten konfirmationsanzug, mit widerspenstiger haartolle mit immer zuviel wetgel. der eine vom mittelbau sieht aus, wie zu heiß gewaschen: schrumpelgesicht, topfschnitt und immer zu kurze hose. der andere ist der einzig adrette – er wird bestimmt mal seinen filialleiter überholen und zur zentrale wechseln. sie kommen immer gemeinsam, aber sie lassen immer den azubi am ende sitzen – der braucht immer länger beim essen. mittagessenhierarchie.

und die alten männer. immer einzeln. treffen sich aber hier. der große dicke mit der lauten stimme, der seine mittagstischgenossen quer durch den raum begrüßt. und der etwas buckelige mit dem stock, von dessen witwerdasein in jedem zweiten gespräch berichtet wird. obwohl sie vermutlich alle keine frauen mehr haben, denn warum sollten sie sonst den mittagstisch hier nehmen? haben nie das kochen gelernt.
oder der älteste. gicht, rheuma, was auch immer gezeichnete knochen, o-bein-gang, schwer am laufen, die arthrose schmerzt schon beim zusehen. aber er schafft es immer noch, sein tablett selbst zu tragen. ihn werde ich vielleicht mal nicht mehr sehen.

so wie „stoppelschnitt“. der hatte die gleiche pausenzeit wie ich, kam immer zur gleichen zeit durch die tür. je nachdem, wer schneller kam, hat sich das eine exemplar der lokalpostille geschnappt und darin während des essens gelesen. nach einiger zeit haben wir instinktiv unsere pausenzeiten aneinander angepasst – er kam etwas später oder ich – und gaben jeweils dem anderen die zeitung rüber, wenn das essen beendet war.
er kommt nicht mehr. keine ahnung, warum, seit einem halben jahr habe ich ihn nicht mehr gesehen. bestes mannesalter, versetzung? plötzliches ableben? werde ich wohl nie erfahren.

hier werden politische gespräche geführt und die lokalen berühmtheiten durch den kakao gezogen. hier gehts um den neuesten einkauf von bayern und den „schwatte jäckson“, den „se tot gefunde ham“. hier habe ich zuerst von winnenden gehört und zuletzt von den landtagswahlen gestern. und wir alle teilen uns den zähen tafelspitz und die überwürzten chicken-wings. aber seltsam: so wenig, wie ich zu jedem einzelnen gehöre, gehöre ich doch auch dazu. ich werds nicht vermissen, wenn ich hier mal nicht mehr hingehe, aber heimat ist so etwas ähnliches.

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