Impfung gegen Schweinegrippe: Mehr Schaden als Nutzen?

Grippeimpfung

Europaweit sind heute morgen, am 30. August 2009 um 10:30 rund 45.000 Menschen an Schweinegrippe erkrankt, davon in Deutschland rund 15.000. Todesfälle wurden in Deutschland bisher nicht gemeldet, in ganz Europa sollen rund 100 Menschen an der neuen Grippe gestorben sein.

Das ist nicht viel, vergleicht man dies mit der Sterblichkeit der „normalen“ Grippe. Allein in Deutschland sterben jedes Jahr vermutlich mehrere tausend Menschen an der jährlich wiederkehrenden winterlichen Influenza.

Schweinegrippe hat andere Risikogruppen

Die Schweinegrippe zeigt sich (bisher) nicht nur harmloser als die bekannte Grippe, sie betrifft auch einen völlig anderen Personenkreis. Größtenteils erkranken Menschen unter 50, besonders viele Patienten sind jünger als 25 Jahre. Die meisten Todesfälle weltweit an Schweinegrippe stammt aus der Altersgruppe der 30 bis 50 Jährigen, während sonst die Alten und ganz Alten am schlimmsten betroffen sind.

Besonders gefährdet sind Schwangere, Menschen mit Übergewicht und chronischen Erkrankungen wie z.B. Asthma, chronischer Bronchitis, Diabetes oder Krankheiten, die mit einer Immunschwäche einhergehen.

Keine wirksame Behandlung

Eine wirklich wirksame Behandlung gibt es (noch) nicht: Tamiflu® und Relenza® helfen zwar, aber sie versprechen eher mäßige Linderung als rasche Heilung. Mit Tamiflu® ist die Grippe einen Tag schneller vorbei, aber wie alle anderen Grippeviren entwickelt auch der neue H1N1 – Erreger schnell Widerstandskraft (Resistenz) gegen das Medikament.

Schweinegrippe bisher harmlos

Bleibt nur noch die Schutzimpfung. Schutzimpfungen haben Nebenwirkungen, so wie jedes andere Medikament auch. Schutzimpfungen werden gesunden Menschen verabreicht. Deswegen müssen Nutzen und Risiko besonders sorgfältig abgewogen werden.

Die Schweinegrippe scheint nicht besonders gefährlich zu sein. „Das wird sich (möglicherweise) ändern“, sagen Epidemiologen, das sind Wissenschaftler, die sich mit Seuchen aller Art beschäftigen. „Das war schon 1918 so und auch 1957″, begründen sie ihre Prophezeiung. „Erst kam eine harmlos verlaufende Welle eines neuen Virus, später wurde er dann viel gefährlicher und kostete Tausenden das Leben!“

„Nun gut“, wenden Kritiker ein, „das war 1918 so und schon viel weniger 1957 – keinesfalls kann daraus mit Sicherheit der Schluss gezogen werden, dass der neue Virus sich tatsächlich zu einem viel schlimmeren Virus als andere Grippeviren entwickeln wird.“

Der neue Impfstoff gegen die Schweinegrippe wird voraussichtlich Mitte Oktober zur Verfügung stehen. Wenn alles so läuft wie geplant, dann soll es in diesem Jahr drei Grippeimpfungen für Risikopatienten geben: Eine gegen die saisonale Grippe so wie jedes Jahr und zwei gegen die neue Grippe.

Stell Dir vor: Es wird geimpft und keiner geht hin …

Anfangs gab es viele Diskussionen darüber, ob auch ja genug Impfstoff für alle zur Verfügung stehe. Jetzt fragen sich kritische Beobachter zunehmend, ob denn überhaupt genug Menschen da sind, die den Impfstoff auch haben wollen.

Sind die Hilfsstoffe ausreichend getestet?

Grippeimpfstoffe werden jedes Jahr in großer Anzahl und dies schon seit langer Zeit angewendet, die Nebenwirkungen sind außerordentlich gering. Der neue Impfstoff unterscheidet sich aber in mancher Hinsicht von dem herkömmlichen. In der kurzen Zeit können man nicht so viel Virussubstanz herstellen, wie für die massenhafte Impfung erforderlich ist, sagen die Hersteller. Aus diesem Grund muss der Impfstoff mit Hilfsstoffen, sogenannten „Adjuvantien“ angereichert werden. Die Adjuvantien helfen dem Immunsystem des Menschen, auch bei einer niedrig dosierten Impfstoffmenge ausreichend Antikörper zu bilden.

Allerdings: Gerade die Adjuvantien standen bisher immer wieder in Verdacht, für die Nebenwirkungen der Impfungen verantwortlich zu sein.

Die Vorbehalte werden immer größer: Vor ein paar Tagen fragte das besonders pharmakritische Arzneitelegramm seine Abonnenten, meist Ärzte und Apotheker, in einem „Blitz-Arznei-Telegramm“, warum denn wohl in den USA auf Adjuvantien verzichtet werden könne, während die Arzneimittelbehörden in Deutschland und Europa dies für unbedingt nötig halten.

Das verwendete Gemisch von Adjuvantien sei nicht ausreichend getestet, sagt das Arzneitelegramm. Vor allem bei Schwangeren, für die die Schweinegrippeimpfung besonders empfohlen wird, liegen wenig Erfahrungen vor.

Alles Quatsch, sagt das Paul Ehrlich Institut, das ist die Behörde, die in Deutschland die Zulassung für Impfstoffe erteilt. Jedes einzelne Adjuvans sei schon lange bekannt und seine Unschädlichkeit in klinischen Studien ausreichend nachgewiesen.

Konservierungsmittel mit Quecksilber

Der Grippeimpfstoff soll nicht in einzelnen Ampullen oder Fertigspritzen ausgeliefert werden. Der Arzt soll aus einem größeren Fläschchen den Impfstoff für viele Patienten nacheinander entnehmen.

Aus diesem und anderen Gründen (Haltbarkeit, leichterer Transport) ist dem Schweinegrippeimpfstoff das Konservierungsmittel Thiomersal zugesetzt. Thiomersal ist eine Quecksilberverbindung, bis zu 4 % aller Menschen in Deutschland reagieren allergisch.

So oder so: Die Bereitschaft der deutschen Bevölkerung, sich gegen Schweinegrippe zu impfen, geht zurück. Nur 13 Prozent der Bevölkerung will sich zur Zeit gegen Schweinegrippe impfen lassen, ergab eine Spiegel-Umfrage. Und auch beim medizinischen Personal ist die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, auch nicht gerade sensationell, und das weltweit, meldet das Deutsche Ärzteblatt.

Immerhin: Die gute Konservierung des Impfstoffs hat einen Vorteil – Der Impfstoff kann noch in der nächsten Saison 2010/2011 verwendet werden, wie der Vizepräsident des Robert Koch-Instituts, Reinhard Burger, in diesen Tagen feststellte.

Aber damit es soweit nicht kommen muss, wird das Institut zusammen mit dem Gesundheitsministerium in den nächsten Tagen eine Werbekampagne starten, um vor allem die besonders gefährdeten jungen Menschen zur Impfung zu bewegen.

Quellen

Paul-Ehrlich-Institut zum Thema Schweinegrippeimpfung

Robert Koch-Institut zum selben Thema

Deutsches Ärzteblatt: „Scheu vor Schweinegrippe-Impfung

Arzneitelegramm: Blitz-a-t für Abonnenten vom 25.8.2009: „Schweinegrippe – Alles im Griff?“

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