Niemand mag es, öffentlich kritisiert zu werden. Und Mediziner mögen es natürlich nicht, im Internet von Patienten benotet zu werden. Es wird viel über die Frage gestritten, wer denn eigentlich mit welcher Sachkenntnis wen beurteilen kann und darf. Aber eigentlich könnten Ärzte die Sache viel pragmatischer sehen.
Generell ist die öffentliche Bewertung schon Alltag geworden: Bei unzähligen Dienstleistungen und Produkten kann das Internet unschlüssigen Kunden weiterhelfen. Die Lektüre von Nutzerbewertungen gehört inzwischen zu größeren Anschaffungen dazu. Auch Ärzte haben sicher schon z. B. beim Kauf eines Flachbildfernsehers das große Kundenorakel befragt, ohne sich dabei weiter über die technische Sachkenntnis der Bewerter Gedanken zu machen.
Auch darüber hinaus ist die Pandora-Büchse geöffnet: Die Arztbewertungsportale sind nun in der Welt. Dass die Justiz dem einen generellen Riegel vorschieben wird, steht nach dem SpickMich-Urteil des BGH vom Juni dieses Jahres nicht zu erwarten. Dass sich das Engagement von Patienten, Bewertungen zu veröffentlichen, abschwächen wird, ist ebenfalls unwahrscheinlich. Die wirklich wichtige Frage ist also: Wie können Ärzte aus diesem Blei noch Gold machen?
Was bringen Arztbewertungsportale den Ärzten?
Klassisches Empfehlungsmarketing lief früher so ab, dass Tante Emma der Tante Ilse erzählte, dass sie nun endlich einen anständigen Augenarzt gefunden habe, bei dem sie nicht so lange sitzen musste und den sie sympathisch fand. Nie hat sich jemand darüber beschwert, dass es solche Gespräche gibt. Übrigens gab es auch schon immer gehässige und böswillige Bewertungen: Tante Emma war auch dabei nicht zurückhaltend. Klar ist: Tante Ilse vertraut der Meinung von Tante Emma mehr als der Hochglanzbroschüre der Augenarztpraxis.
Die Portale im Internet weiten dieses Mundpropaganda-Prinzip aus und machen jede Bewertung für jeden weltweit zugänglich. Tante Emma kann nun allen Menschen, die ihr zuhören wollen, von ihrem Augenarzt erzählen.
Die herkömmliche Mundpropaganda wird nun durch das Internet verstärkt, im Guten wie im Schlechten. Bewertungsportale sind also für Ärzte ein ideales Marketinginstrument – vorausgesetzt, genügend zufriedene Patienten schreiben gute Bewertungen. Denn auch hier ist es wie beim Einkauf im Internet: Eine einzelne Bewertung wird als bedeutungslos wahrgenommen. Nur die Masse macht’s.
Wie bekommt man Bewertungen?
Empfehlungen müssen vom aktuellen Patientenstamm kommen. Also weisen Sie Ihre Patienten darauf hin, dass es die Bewertungsmöglichkeit gibt! Keine Scheu vor dem Ergebnis. Wenn Sie sich und Ihrem Team vertrauen – vertrauen Sie auch Ihren Patienten! Um ganz auf Nummer sicher zu gehen, können Sie ja die paar bekannten Nörgler und Querulanten in Ihrem Patientenstamm nicht ganz so offensiv auf die Bewertungsportale stoßen…
Wie ist man vor Manipulation sicher?
Wie immer im Internet gibt es natürlich auch Möglichkeiten zu schummeln. Das ist jedoch schwieriger, als man gemeinhin denkt. Offenkundig böswillige oder euphorische Bewertungen werden von den Betreibern der Portale umgehend gelöscht. Und natürlich auch hier wieder: Die Masse macht’s. Bei mehreren Dutzend Bewertungen fällt die Nörgelei, die ein ungeliebter Kollege unter Pseudonym ins Portal geschummelt hat, gar nicht ernsthaft auf.
Funktioniert das wirklich?
Ja. Den Beweis führt ein Zahnarzt aus Duderstadt in Niedersachsen, der das Bewertungsportal TopMedic auf seiner Praxishomepage verlinkt hat. Zudem wies er seine Patienten (vermutlich vor allem diejenigen, die mit ihm zufrieden waren) offensiv auf die Möglichkeit einer Bewertung hin. Mittlerweile bringt er es bei dem verlinkten Portal auf stolze 38 Bewertungen von Patienten. Davon haben ganze drei Bewertungen ein negatives Fazit, alle anderen sind sehr positiv. Eine gute Bilanz.
Am Rande bemerkt: Auch die drei negativen Beurteilungen schaden nicht wirklich. Würde es im Gegenteil nicht verdächtig wirken, wenn absolut jeder in der Praxis glücklich wäre?