Sex, Drugs & Rock’n’Roll – die südafrikanische Popdiva und Anti-Apartheids-Aktivistin Brenda Fassie lebte ein Leben im Rausch und wurde dennoch zum Idol ihres Landes, für die LGBT-Community wie für die schwarze Bevölkerung.
Die lebensgroße naturalistische Bronzestatue zeigt sie in lässiger Körperhaltung vor einem Mikrofon stehend. Von den geflochtenen, durch ein Tuch gebändigten Haaren bis zu den markanten Armreifen – der Bildhauer Angus Taylor hat keines der prägnanten Details vergessen. So thront Brenda Fassie seit einigen Jahren vor der Bassline, einem bekannten Konzertveranstaltungsort in Johannesburg.
Ein Jahrzehnt nach ihrem Tod 2014 ist die Sängerin alles andere als vergessen. Das zeigt nicht nur dieses Denkmal. In einem anderen Stadtviertel haben Graffitikünstler sie in wandgroßen Bildern porträtiert: mit farbenprächtigen Kopfbedeckungen und lasziven Gesten, wie man die südafrikanische Popikone von ihren Plattencovern kennt. Brenda Fassie gehörte nicht nur zu den ersten schwarzen Musikstars des Landes – in den zwei Jahrzehnten ihrer bewegten, von Höhenflügen und Abstürzen begleiteten Karriere hat sie mehrere Millionen Platten verkauft -, sondern war auch eine der großen Persönlichkeiten des Landes.
Welche Bedeutung sie hatte, zeigte sich in den letzten Lebenstagen. Am Sterbebett versammelten sich neben ihrer Familie auch der ehemalige Präsident des Landes, Nelson Mandela mit seiner Ex-Frau Winnie, wie auch sein Amtsnachfolger Thabo Mbeki. Zwei Wochen lang lag Brenda Fassie im Koma, ausgelöst durch einen Asthma- und Herzanfall. So war es in den ersten Tagen nach ihrem Zusammenbruch zumindest aus den Medien zu erfahren. Dann verbreitete sich hartnäckig das Gerücht, Fassie sei Opfer eines skrupellosen Dealers, wenn nicht sogar eines heimtückischen Mordanschlags geworden.
Ihre HIV-Infektion wird erst durch die Obduktion bekannt
Mit Rattengift gestrecktes Kokain habe Fassie das Bewusstsein geraubt. Erst der Autopsiebericht, dessen Veröffentlichung die Familie Wochen nach Brenda Fassies Tod schließlich zustimmt, setzt dieser Mär ein Ende. Kein Rattengift, sondern schlicht eine Überdosis Kokain habe sie das Leben gekostet. Der Bericht enthält allerdings auch einen für viele weitaus überraschenderen Befund: Die Sängerin war HIV-infiziert.
„Der Tod hat nicht nur dieses Land, diesen Kontinent, sondern die ganze Welt eines der größten Talente beraubt, das jemals aus dem Kapstädter Township Langa hervorgegangen ist“, würdigte ein Sprecher von Brenda Fassies Plattenfirma EMI Music die Sängerin in einem ersten Pressestatement.
Brenda Fassie war unzweifelhaft ein afrikanischer Megastar. Mit dem Song „Weekend Special“ hatte sie es 1986 sogar in die britischen und US-amerikanischen Charts geschafft. Leicht hatte es die Plattenfirma freilich nie mit dieser Künstlerin.
Drogenexzesse, Skandale, Karriereabstürze
Sie torpedierte ihre Karriere mit Drogen- und anderen Skandalen, war jähzornig und unzuverlässig. Sie feuerte ihre Manager, verprügelte Journalisten und stand immer wieder vor Gericht. Brenda Fassie mochte eine unberechenbare Diva gewesen sein, aber ihre Fans hatten sie selbst in den schwierigsten Zeiten nicht fallen lassen. Brenda war und blieb eine von ihnen – eine Frau, die ihre Herkunft aus dem Township nie verleugnete und stets ihre tiefe Verbundenheit zu den Menschen dort betonte.
Brenda Fassie war 1964 in Langa zur Welt gekommen, dem ersten Stadtteil Kapstadts, der eigens für die schwarze Bevölkerung geplant und errichtet worden war. Der Vater war früh verstorben, die Mutter, eine ehemalige Pianistin, musste mit dem spärlichen Einkommen als Reinigungskraft neun Kinder versorgen. Brenda, benannt nach der US-Sängerin Brenda Lee, war das jüngste.
Bereits im Alter von vier Jahren trägt sie als Sängerin in Touristenlokalen zum Lebensunterhalt der Familie bei. Mit 16 Jahren zieht sie nach Soweto, um eine professionelle Gesangskarriere zu starten. Der Durchbruch gelingt ihr mit der Band Brenda and The Big Dudes. Das erste Album liefert gleich einen Hit. „Weekend Special“ ermöglicht Tourneen durch die USA, Europa, Australien und Asien. Brenda Fassie steht plötzlich die ganze Welt offen.
Eine Kämpferin gegen die Apartheidspolitik
Ihr Herz aber schlägt weiterhin für Südafrika und für die schwarze Bevölkerung. „The year 1963 / The people’s president was taken away by security men / All dressed in a uniform of brutality / Of brutality / Oh no! / My black president“, singt sie im Titelsong ihres Albums „Black President“, das sie Nelson Mandela widmet.
Die Platte wird von der Apartheid-Regierung verboten. Mit den Worten „Ich bin stolz, eine Afrikanerin zu sein“ verkündet Fassie, fortan nur noch in den südafrikanischen Landessprachen Xhosa, Zulu und Sotho singen zu wollen. Ihren Themen bleibt sie treu: In ihren Liedern beschäftigt sie sich weiterhin mit dem Leben in den Townships.
Ende der 1990er-Jahre ist Fassie auf dem Höhepunkt ihrer Karriere: Sie ist die „Queen“, wahlweise auch das „Bad Girl“ des südafrikanischen Pop. Ihr Hit „Vulindela“ wird der offizielle Song des Afrikanischen Nationalkongresses zu den Wahlen 1999.
Brenda Fassie ist zu jenem Zeitpunkt nicht nur eine erfolgreiche, anerkannte Künstlerin, sondern längst auch eine Identitätsfigur vor allem für die schwarze Bevölkerung Südafrikas. Diese hält auch dann zu ihr, wenn die Presse wieder einmal Fassies endgültiges Karriere-Aus verkündet hat. Anlässe dazu gibt es reichlich. Ihre Ehe mit einem offenbar gewalttätigen Geschäftsmann wird nach einem Jahr bereits wieder geschieden, und man munkelt, Fassie habe auch Affären mit Frauen.
Der Drogentod der Lebensgefährtin
Mittlerweile ist Fassie offenbar nicht nur dem Alkohol verfallen, sondern auch kokainabhängig. Sie lässt immer häufiger Konzertauftritte platzen und sorgt mit einem extravaganten, unkontrolliert protzigen Lebensstil für Schlagzeilen. Sie unternimmt zwar ständig Anläufe zu einem Entzug – insgesamt über 30 Mal –, aber die Drogensucht ist stärker.
1994 scheint Brenda Fassie am absoluten Tiefpunkt angekommen. Das Vermögen ist aufgebraucht, ein Comeback-Versuch gescheitert. Sie verliert ihr Haus. Notgedrungen mietet sie sich mit ihrer Lebensgefährtin Poppy Sihlahla in einem billigen Hotelzimmer im Johannesburger Stadtteil Hillbrow ein und versinkt zunehmend im Drogenrausch. Ihr Sohn Bongani, der aus einer Affäre mit einem Bandmitglied hervorgegangen war, fliegt von der Schule: Fassie hatte das Schulgeld nicht mehr bezahlen können. Eines Morgens wird Brenda Fassie bewusstlos in ihrem Bett neben der Leiche ihrer Lebenspartnerin aufgefunden: Poppy war an einer Überdosis gestorben.
Dieser Schicksalsschlag reaktiviert in Brenda Fassie neue Energien. Sie bewältigt einen Entzug, äußert sich in Interviews selbstbewusst zu ihrer Homosexualität und ermutigt damit andere prominente Lesben und Schwule des Landes zum Coming-out. 1997 gelingt ihr gemeinsam mit ihrem langjährigen Produzenten Sello „Chicco“ Twala ein fulminantes Comeback. „Memeza“ (Schrei) betitelt sie ihr Album.
Ich habe geschrien, aber niemand wollte mich hören
„Ich habe geschrien und geschrien, aber niemand wollte mich hören“, sagt sie in einem Interview über das Titelstück. „Wenn ich dieses Lied singe, möchte ich am liebsten weinen.“ Fassie sieht sich an einem Wendepunkt. Sie will nach vorne blicken, einen neuen Anfang wagen. Ihr musikalischer Mix aus House, Hip Hop und traditionellen Rhythmen der Township-Musik macht sie zum Superstar.
Ihr Nachfolgealbum „Nomakanjani“ erhält dreifachen Platinstatus, man zeichnet sie als beste Sängerin des Jahres aus. Fünf Jahre in Folge erhält sie den South African Music Award für das bestverkaufte Album des Jahres. Das „Time“-Magazin hebt sie aufs Cover und verleiht ihr den Titel „Madonna of the Townships“.
Aber Brenda Fassie gelangt wieder in altes Fahrwasser, verfällt ihrer Verschwendungs- und Drogensucht. Am Morgen des 26. April 2004 bricht sie beim Rauchen einer Crackpfeife zusammen; Herz und Atmung setzen aus, sie fällt ins Koma. Tag für Tag vermelden die Titelseiten der südafrikanischen Tageszeitungen den aktuellen Gesundheitszustand der Musikerin.
Am 9. Mai werden die lebenserhaltenden Maschinen abgeschaltet. Brenda Fassie stirbt 39-jährig, ohne noch einmal das Bewusstsein erlangt zu haben. Bei der Trauerfeier im Stadion von Kapstadt nehmen über 20.000 Menschen Abschied von Brenda Fassie, darunter auch Staatspräsident Thabo Mbeki.
„Wir wissen, dass wir auch hier in Kapstadt, selbst in unseren Schulen Probleme mit Drogen haben“, sagte er in seiner Rede an die Trauergemeinde. „Wir müssen dieses Problem in unserer Gesellschaft bekämpfen, denn wir alle hätten Brenda gewünscht, dass sie 80 Jahre alt wird.“