Johanna Weber, Sexarbeiterin und politische Sprecherin des Berufsverbands für erotische und sexuelle Dienstleistungen, lässt kein gutes Haar an den Gesetzesplänen der Bundesregierung.
Johanna, nach dem Entwurf zu einem „Prostituiertenschutzgesetz“ müssen sich Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter künftig anmelden. Darüber wurde viel diskutiert. Welche Auswirkungen wird denn die Anmeldepflicht haben?
Registrierungspflicht wäre eigentlich der passendere Begriff, denn es geht hier nicht um die Anmeldung beim Bürger-, Gewerbe- oder Finanzamt, sondern um eine Sondererfassung von Prostituierten. Solange Prostitution noch dermaßen stigmatisiert ist, ist der wirksamste Schutz für Sexarbeiterinnen die Anonymität – zum Beispiel für Mütter, die natürlich nicht wollen, dass ihre Kinder auf dem Schulhof gemobbt werden, oder die Studentin, die ihr Studium mit Sexarbeit finanziert und Angst hat, nach ihrem Abschluss keinen Job zu bekommen, oder die Migrantin, die in Deutschland Fuß fassen will. So eine Registrierung ist nichts anderes als ein Zwangsouting, was auch den Wechsel in einen anderen Beruf und damit den sogenannten Ausstieg aus der Prostitution erschwert.
Eine große Sorge ist auch, dass es mit dem Datenschutz nicht weit her sein wird.
In München werden Sexarbeiterinnen bereits registriert, und dort sehen wir sehr deutlich, was uns allen demnächst droht. Eine Kollegin zum Beispiel wurde während einer ganz normalen Verkehrskontrolle im Beisein ihres Beifahrers von dem Beamten auf ihre Tätigkeit als Prostituierte angesprochen – normalerweise dürften Verkehrspolizisten überhaupt nicht an diese Informationen kommen. Ähnliches ist einer anderen Kollegin aus München passiert, die keinen deutschen Pass hat und deshalb alle zwei Jahre zur Meldebehörde geht. Dort wurde sie ganz scheinheilig gefragt, was sie denn eigentlich beruflich mache, denn einen Tag vorher sei doch tatsächlich eine Prostituierte da gewesen. Solche Geschichten passieren immer wieder, nur gehen die Frauen damit nicht an die Öffentlichkeit.
„Viele Sexarbeiterinnen werden in die Illegalität gezwungen“
Nun will die Regierung mit der Anmeldepflicht ja den Menschenhandel bekämpfen…
Ein Menschenhändler, der Frauen zur Prostitution zwingen kann, kann sie auch zur Anmeldung zwingen und ist damit fein raus, denn dann hat er sie ja alle legalisiert. In Wien, wo es eine Registrierungspflicht gibt, waren fast alle Prostituierte angemeldet, die im Zusammenhang mit Menschenhandel über ein Notruftelefon Hilfe gesucht hatten. Statt mit Frauen in Not wird sich die Polizei künftig vor allem mit den vielen Sexarbeiterinnen befassen müssen, die sich nicht angemeldet haben, um ihre Anonymität zu wahren, und damit in die Illegalität gezwungen wurden. Diese Frauen werden dann auch nicht mehr zur Polizei gehen, wenn etwas passiert ist, weil sie ja befürchten müssten, selbst belangt zu werden. Sie arbeiten dann also fern von Schutz und Hilfe, und da muss man sich doch wirklich fragen, was so ein Gesetz mit Prostituiertenschutz zu tun hat. Statt eine stigmatisierende Anmeldebescheinigung – beziehungsweise einen „Hurenpass“ – schlagen wir den Nachweis per Steuernummer vor. Die kann man Betreibern und bei Polizeikontrollen vorlegen. Wenn die Polizei dann tatsächlich einen Verdacht hat, ist es für sie kein Problem, die Identität herauszufinden.
Um sich überhaupt anmelden zu können, muss man vorher zu einer gesundheitlichen Pflichtberatung. Die Deutsche AIDS-Hilfe sagt, Beratung kann nur funktionieren, wenn sie freiwillig ist.
Genau das sagen wir auch. Beratung ist wichtig, aber Zwangsmaßnahmen führen nicht zum Ziel. Und eine Beratung kann auch nur sinnvoll sein, wenn darin die richtigen Themen vorkommen. Natürlich muss man hier über Gesundheit und Schwangerschaft sprechen, aber auch über Arbeitsstandards, Kundenwünsche und -maschen, über Preise und Mieten, damit Neulinge einschätzen können, wie in der Branche überhaupt gearbeitet wird und was faire Bedingungen sind.
Hohe Auflagen für Betriebe: „für Großbordelle ein Leichtes“
Nun sieht das Gesetz auch eine Kondompflicht vor. Das klingt für viele erst mal vernünftig, zumal Bußgelder nur die Kunden treffen sollen.
Es gibt Kolleginnen, die unter sehr einfachen Bedingungen arbeiten, ihr Geld zusammenbekommen müssen und deshalb auch ohne Kondom arbeiten. Es wäre schön, wenn es das nicht gäbe, aber eine Kondompflicht wird da nichts ausrichten. Viel besser wäre es, diesen Frauen freiwillige Beratung und Professionalisierung zu ermöglichen, damit sie selbst den Anspruch entwickeln, gesund zu bleiben, und den auch gegenüber Kunden durchsetzen können.
Ein weiterer Teil des Gesetzesentwurfs betrifft Mindestanforderungen an Prostitutionsstätten. Können die zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen beitragen?
Auch wir haben ein Interesse an festen Standards, aber um die festzulegen, müssen sich alle gemeinsam an einen Tisch setzen: Prostituierte, Betreiber, Leute vom Gesundheits- und Gewerbeamt, der Polizei und so weiter. Die Punkte, die der Gesetzesentwurf vorsieht, wurden leider von Leuten entwickelt, die kaum Ahnung von der Praxis haben. Viele Betriebe, die eigentlich gute Arbeitsplätze sind, werden die Auflagen nicht erfüllen können. Vor allem die vielen kleinen Wohnungsbordelle, die häufig von den Frauen selbst verwaltet werden, wird es dann nicht mehr geben. Für Großbordelle sind die Bestimmungen dagegen ein Leichtes, die sitzen dann am längeren Hebel und können die Mieten noch mehr diktieren als ohnehin schon. Die Vielfalt der Betriebe wird dadurch zerstört, aber die macht es uns erst möglich, den für uns jeweils passenden Arbeitsplatz zu wählen.
Unabhängig von den geplanten Bestimmungen: Brauchen wir überhaupt ein Prostituiertenschutzgesetz?
Nein. Der richtige Weg wäre, an der Stigmatisierung zu arbeiten, denn die ist eines der größten Probleme in der sogenannten legalen Sexarbeit. Und daran ändern wir nichts, wenn die Regierung für unsere Branche Sondergesetze macht. Das Beste wäre, Sexarbeit zumindest ähnlich zu behandeln wie jedes andere Gewerbe auch und somit einen Beitrag zur Normalisierung zu leisten.
„Männer sind mit dem Gesetz überhaupt nicht gemeint“
Und was wären sinnvolle Maßnahmen, um Prostituierte zu schützen?
Man muss erst mal gucken, worin die Probleme überhaupt bestehen: Das sind zum Beispiel Sprachprobleme, fehlende Krankenversicherung und Wohnungsnot – und da richtet das geplante Gesetz mit seinem Übernachtungsverbot für Prostituierte im Bordell nur noch mehr Schaden an. Helfen würde, das Netz von freiwilligen, anonymen und kostenlosen Untersuchungs- und Beratungsangeboten auszubauen. In manchen Bundesländern gibt es keine einzige Beratungsstelle für Prostituierte. Auch aufsuchende Sozialarbeit muss gefördert werden, damit die Frauen von den Angeboten überhaupt erfahren. Und natürlich werden Sprachmittler gebraucht. Außerdem hilft es nicht, Frauen pauschal zu Opfern zu erklären, die gerettet werden müssen. Deshalb sollte unbedingt die Selbstorganisation unterstützt werden, um die Kolleginnen aus dem Kreis der Leistungs- und Hilfeempfängerinnen rauszuholen.
Es ist immer nur von Frauen die Rede. Was bedeutet das Gesetz eigentlich für die mann-männliche Prostitution?
Männer werden zwar immer mitgenannt, sie sind aber mit dem Gesetz überhaupt nicht gemeint. Männer arbeiten nicht im Bordell, sondern in der Regel auf der Straße, in Bars und immer mehr mithilfe des Internets. In der mann-männlichen Prostitution gibt es ganz spezifische Probleme – genauso bei Trans*-Sexarbeiterinnen. Das Wohnungsproblem ist hier noch mal viel größer, viele Jungs schlafen auf der Straße oder bei Kunden gegen Dienstleistungen. Auch für Jungs, die anschaffen, gibt es viel zu wenige Beratungsstellen, und für Trans*-Leute in der Sexarbeit sowieso.
Vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Christina Laußmann