Die Vorbereitungsgruppe der Positiven Begegnungen 2016 in Hamburg repräsentiert die Vielfalt der Lebenwirklichkeiten von Menschen mit HIV und will „Diversität“ auch im Konferenzprogramm verankern. Von Frauke Oppenberg
An den Wänden hängen acht dicht beschriebene DIN-A1-Blätter, an zwei Stellwänden kleben eng beieinander farbige Pappkreise mit Stichworten. „PoBe schiebt an“ steht an einer Stelle, an einer anderen „Dialog fördern“ oder „Alle in einem Boot“.
Die Vorbereitungsgruppe der „Positiven Begegnungen“, Europas größte Selbsthilfekonferenz zum Leben mit HIV/Aids, die alle zwei Jahre von der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH) und Vertreter_innen der HIV-positiven Community organisiert wird, hat sich zu ihrem ersten Treffen in den Räumen der DAH in Berlin zusammengefunden und schon viele Ideen für die kommende Ausgabe im nächsten Jahr notiert.
„Wir sind in der Phase des Brainstormings“, erklärt Heike Gronski, DAH-Referentin für „Leben mit HIV“ die vielen großformatigen Papierbögen. „Wir haben erst mal gesammelt, was jeder hier einbringen möchte.“ Schon in den ersten Tagen habe sich herauskristallisiert, dass bei der Konferenz in Hamburg der Fokus auf Diversität, Dialog und Austausch liegen soll – auf positiven Begegnungen im wahrsten Sinne des Wortes.
Neue Impulse durch Vielfalt
„Bei den Positiven Begegnungen ist es einfach toll zu sehen, wie vielfältig die Community ist“, findet Alex, „das hat mir jedes Mal ganz neue Impulse gegeben.“ Die Aachenerin engagiert sich seit zehn Jahren in der HIV-Selbsthilfe und war auch schon zweimal bei der PoBe, wie die mehrtägige Konferenz gerne abgekürzt wird. „Dieser Erfahrungsaustausch, die unterschiedlichen Sichtweisen und die Vielfalt sind ganz wichtige Themen für mich“, erklärt sie die Faszination der Selbsthilfekonferenz.
In der Vorbereitungsgruppe sitzt Alex allerdings zum ersten Mal. So wie die meisten ihrer sieben Mitstreiter_innen. Nur Holger aus Köln ist Wiederholungstäter, er war schon an der Organisation der PoBe 2014 in Kassel beteiligt. „Es war ein tolles Erfolgserlebnis, weil wir viele positive Rückmeldungen bekommen haben“, schwärmt er. „Das hat mich motiviert, noch mal mitzumachen. Ich baue an dem Haus noch ein bisschen weiter.“ Vor allem die Öffentlichkeitsarbeit möchte er weiterentwickeln.
„Ich baue an dem Haus noch ein bisschen weiter“
Rund 20 Selbsthilfeaktivist_innen haben sich für das Vorbereitungsteam beworben. Voraussetzungen waren Erfahrungen in der Selbsthilfearbeit, Zugehörigkeit zu einer von HIV bedrohten oder betroffenen Gruppe, breite Kenntnisse der sozialen und politischen Herausforderungen im Leben mit HIV und vor allem Zeit. Denn die Teilnahme an allen Treffen der Gruppe ist für die Mitglieder verbindlich.
Acht der 20 Bewerber arbeiten nun an mindestens fünf Wochenenden ehrenamtlich am Gesamtkonzept der Positiven Begegnungen. „Wir haben uns bemüht, die Gruppe so zusammenzusetzen, dass auch die unterschiedlichen Lebenswelten von Menschen mit HIV vertreten sind“, begründet Heike Gronski die Auswahl der Teammitglieder. „Deshalb sind Jüngere und Ältere dabei, Frauen, Männer, intersexuelle Menschen, Migranten, Deutsche – eine bunte Mischung, und das ist auch gewollt.“
Unterschiedliche Anliegen unter einen Hut bringen
Die Konferenz wird vom 25. bis 28. August 2016 in Hamburg stattfinden. Bis dahin muss die Vorbereitungsgruppe die Inhalte der Workshops festlegen, Referent_innen finden oder auch ein Rahmenprogramm gestalten. Dass rund 400 HIV-Aktivist_innen auch in der 19. Ausgabe der Positiven Begegnungen wieder eine einzigartige Konferenz erleben werden, liegt nun in ihren Händen.
Viele unterschiedliche Anliegen muss die Gruppe unter einen Hut bringen. Lillian zum Beispiel möchte, dass sich mehr Migrant_innen von der Konferenz angesprochen fühlen und sich anmelden. Die Aktivistin engagiert sich unter anderem ehrenamtlich im „Haus Afrika“ in Saarbrücken. „Mir ist bei den Positiven Begegnungen aufgefallen, dass Migrant_innen zu wenig vertreten sind. Wir kämpfen für eine gemeinsame Sache, aber noch nicht genug zusammen.“
Christoph aus Braunschweig wünscht sich, dass vor allem auch solche HIV-Positive zur Konferenz kommen, die noch nie dabei waren. „Wenn man das erste Mal zu so einer Veranstaltung geht, dann ist man nicht gleich mittendrin“, meint er, der selbst ein PoBe-Neuling ist. Es sei wichtig, „diese Leute zu erreichen und zu zeigen, dass sie nicht alleine sind“.
Lisa (Name geändert) und Christoph aus Mannheim wiederum möchten, dass die Jugendlichen bei den Positiven Begegnungen gut betreut werden und in das Programm besser einbezogen werden. Und Ann-Katrin aus Köln will sich dafür einsetzen, dass die Interessen von trans- und intersexuellen Menschen im Programm ausreichend berücksichtigt werden.
„Wir wollen konstruktiv streiten“
„Noch ist eitel Sonnenschein“, lacht Ann-Katrin auf die Frage, ob es bei so vielen unterschiedlichen Interessen schon Meinungsverschiedenheiten gegeben hat. Dass es in den kommenden Wochen aber auch zu Auseinandersetzungen kommen kann, ist allen Teammitgliedern klar. Deshalb haben sie sich auch den Grundsatz „Streitkultur“ auf einen der großen Papierbögen geschrieben.
„Wir haben aber vor, konstruktiv zu streiten“, fügt Heike Gronski von der DAH an. Ehrlichkeit und Akzeptanz der Vielfalt stehen schließlich auch auf dem Blatt mit den Gruppenvereinbarungen. Die Diversität der Vorbereitungsgruppe sehen alle als Stärke, weil so auch die unterschiedlichen Lebenswelten und Interessen der HIV-Positiven ins PoBe-Programm einfließen können.
Dass ihr Engagement mit viel unentgeltlicher Arbeit und Reisen verbunden sein wird, schreckt niemanden ab. „Wir freuen uns einfach auf das Ergebnis“, meint Lillian, und Holger fügt verschmitzt hinzu: „Wir kennen das ja nicht anders. Möchtest du mal meine Bahn-Bonus-Punkte sehen?“ Im November werden weitere hinzukommen, dann trifft sich das Vorbereitungsteam das nächste Mal in Hamburg. Dort, wo die Positiven Begegnungen 2016 stattfinden werden.