Heute war ich wieder…….. bei einem meiner hochbetagten Patienten. Er ist mittlerweile 92 Jahre alt und hat sich bis vor wenigen Monaten bester Gesundheit erfreut. Auch sein Kopf war noch voll da und er schrieb Krimis und Reiseberichte, die er im Eigenverlag veröffentlichte.
Doch seit Ende des Sommers hatte er das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Wir haben gesucht und untersucht und nichts gefunden. Weitere Wochen vergingen und er entwickelte Bauchschmerzen. Erstmals waren jetzt auch die Laborwerte auffällig. Alles deutete auf eine Gallenkolik hin, so dass er sich überzeugen ließ, sich doch im Krankenhaus anschauen zu lassen.
Leider stellte sich dort heraus, dass er mit seinem Gefühl doch Recht gehabt hatte und ein metastasierter Darmkrebs die Ursache seiner Beschwerden ist.
Mittlerweile geht es ihm leider sehr schlecht, er ist kaum noch ansprechbar und bekommt starke Schmerzmittel, aber er ist zu hause, denn ins Krankenhaus wollte er auf keinen Fall wieder.
Vermutlich hat er nur noch wenige Tage zu leben und seine erwachsenen Enkel wollen ihn noch einmal sehen und sich verabschieden. Vor kurzem hat er das noch kategorisch abgelehnt, weil er nicht wollte, dass sie ihn so sehen.
Die Angehörigen wollen jetzt von mir wissen, was sie machen sollen, aber ich kann das auch nicht für sie entscheiden. Ich denke aber, wenn es für die Enkel wichtig ist, sich von ihrem Großvater zu verabschieden, sollte man das ermöglichen, auch wenn man nicht sicher ist, ob er das will, denn sie müssen schließlich weiterleben.
MEMENTO ( Mascha Kaléko)
Vor meinem eigenen Tod ist mir nicht bang,
nur vor dem Tode derer, die mir nah sind.
Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?
Allein im Nebel tast ich todentlang
und lass mich willig in das Dunkel treiben.
Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.
Der weiß es wohl, dem Gleiches widerfuhr –
und die es trugen, mögen mir vergeben.
Bedenkt: Den eignen Tod, den stirbt man nur;
doch mit dem Tod der anderen muss man leben.