Wie Menschen in Deutschland gepflegt werden, hängt vom Wohnort der Pflegebedürftigen ab. Das geht aus dem neuen Pflegereport der BARMER GEK hervor, der heute in Berlin vorgestellt wurde. Demnach sind die massiven regionalen Unterschiede in der Pflege die Konsequenz des Angebots vor Ort. Je mehr Pflegedienste oder Pflegeheime es gibt, desto mehr Betroffene werden von ihnen betreut. „Die Menschen bekommen offenbar nicht immer die Pflege, die sie brauchen, sondern die, die vor Ort verfügbar ist“, betonte Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER GEK. Damit Betroffene die Pflege erhalten, die für sie individuell am sinnvollsten sei, forderte Straub ein Mehr an transparenter und unkompliziert abrufbarer Informationsangebote sowie flächendeckend greifende Unterstützungsleistungen insbesondere durch die Pflegekassen. Die so genannten Pflegestützpunkte könnten offenbar diese Art der Hilfen nicht bieten. Straub: „Das Konzept der Pflegestützpunkte ist gescheitert. Sie gehen klar am Bedarf der Betroffenen vorbei.“ Nötig seien stattdessen noch mehr niedrigschwellige mobile und häusliche Angebote und Unterstützungsleistungen für alle Versicherten. So hätten sich insbesondere Familiengesundheitspfleger bewährt. Spitzenreiter Schleswig-Holstein und Brandenburg Der aktuelle Pflegereport der BARMER GEK weist große regionale Unterschiede in der Pflege aus. So spielt die Pflege in Heimen die größte Rolle in Schleswig-Holstein. Hier werden 40,5 Prozent der Pflegebedürftigen stationär gepflegt. Dementsprechend ist die Kapazität an Plätzen in Pflegeheimen mit 49,2 pro 100 Pflegebedürftigen die höchste im Bundesgebiet. Zum Vergleich: In Brandenburg sind lediglich 26,9 Plätze pro 100 Pflegebedürftige verfügbar. Dagegen werden in diesem Bundesland die meisten Menschen durch ambulante Pflegedienste oder allein durch die Familie versorgt. Bei dem Anteil der Pflegedienste wird Brandenburg (28,5 Prozent) nur von Hamburg (29,2), Sachsen (29,0) und Bremen (28,7) geringfügig übertroffen. Beeinflusst wird die Form der Pflege außerdem von der Einkommenshöhe der Pflegebedürftigen und davon, wie gut familiäre Netzwerke eine Pflege zu Hause bewältigen können oder überhaupt wollen. Bei geringem Einkommen reduzieren die privaten Zuzahlungen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Pflegebedürftiger im Heim gepflegt wird. Zahl Pflegebedürftiger steigt unterschiedlich Während in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen sowie in Berlin, Hamburg und Bremen zwischen den Jahren 2050 und 2060 die Zahl der Pflegebedürftigen steigen wird, sind in den ostdeutschen Bundesländern ausnahmslos deutliche Rückgänge zu erwarten. Zugleich wird sich der Anteil Hochbetagter deutlich erhöhen. Bis zum Jahr 2060 werden drei von vier pflegebedürftigen Männern 80 Jahre und älter sein, von den pflegebedürftigen Frauen knapp 85 Prozent. Niedrigschwellige Angebote für alle Betroffenen Straub kritisierte, dass Pflegebedürftigen und deren Angehörigen nicht genügend niedrigschwellige Angebote zur Verfügung stünden. Der BARMER GEK Chef forderte Länder und Kommunen auf, gemeinsam mit den Pflegekassen in einen strukturierten Austausch zu gehen. Ziel müsste die regelmäßige Analyse der konkreten Pflegebedarfe in den Regionen sein und das Erarbeiten passgenauer Angebote, die Pflegebedürftige und deren Familien unbürokratisch abrufen könnten. Ein Forum für diesen Austausch seien regionale Pflegekonferenzen. Sie könnten auf den individuellen Pflegebedarf in der Region vor Ort eingehen und entsprechend notwendige Angebote der Pflegekassen und anderer Träger erarbeiten. Straub: „Praxisnahe Angebote müssten auch dazu führen, dass sich Betroffene vor Ort besser vernetzen können, um gegenseitig von Erfahrungen zu profitieren.“ Gute Pflegeunterstützung für alle Betroffenen sicherstellen Die Pflegekassen sind vor allem als Impulsgeber für gute Ideen gefordert.“ So biete die BARMER GEK bislang als einzige Kasse eine individuelle Beratung durch Familiengesundheitspfleger. Vor allem Kurse für pflegende Angehörige seien besonders sinnvoll, da dabei nicht nur wichtiges Wissen vermittelt, sondern auch ein Austausch der Betroffenen untereinander ermöglicht werde. „Eine effiziente Pflegeunterstützung sollte aber nicht nur von der Mitgliedschaft in einer bestimmten Krankenkasse abhängig sein. Wir müssen dafür sorgen, dass alle Betroffenen in schwierigen Lebenssituationen uneingeschränkt die Unterstützung erhalten, die sie benötigen“, so Straub. Pflegestärkungsgesetz II kostet 7,2 Milliarden Euro im Jahr 2017 Studienautor Prof. Dr. Heinz Rothgang von der Universität Bremen bezifferte die Kosten des Pflegestärkungsgesetzes II mit rund 7,2 Milliarden Euro allein für das Jahr 2017. Diese entstehen vor allem durch Mehrausgaben für Pflegegeld, Pflegesachleistungen und die vollstationäre Pflege. „Auch wenn die volkswirtschaftliche Entwicklung nur schwer abgeschätzt werden kann, so dürfte sich insgesamt in der Pflegeversicherung im Jahr 2017 ein Defizit ergeben, das deren Mittelbestand um mehr als drei Milliarden Euro reduziert“, so Rothgang. Während die beiden bereits eingeführten Pflegestärkungsgesetze die Pflegeversicherung weiterentwickelt hätten, werde das aktuell im Gesetzgebungsprozess befindliche Pflegestärkungsgesetz III vor allem „Nacharbeiten“ beinhalten. So ist es laut Rothgang notwendig, den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff in der Sozialhilfe anzuwenden. Aus dem BARMER GEK Pflegereport 2016 Übernahme von Pflegetätigkeiten: Im Jahr 2013 kümmerten sich rund 3,5 Millionen Personen um die häusliche Pflege von zirka 1,87 Millionen Pflegebedürftigen. Der Anteil der pflegenden Männer an allen Männern im Alter von mindestens 18 Jahren betrug in Westdeutschland 4,2 Prozent und der der pflegenden Frauen 6,6 Prozent. In Ostdeutschland lagen die Anteile von pflegenden Männern und Frauen mit 5,6 Prozent bzw. 8,0 Prozent genau 1,4 Prozentpunkte höher (S.16). Mehrkosten: Die Mehrkosten von 7,2 Milliarden Euro, die durch das Pflegestärkungsgesetz II allein im Jahr 2017 entstehen, fallen durch 13 verschiedene Positionen an. Allein beim Pflegegeld entstehen Zusatzausgaben von 2,274 Milliarden Euro, gefolgt von den Pflegesachleistungen mit 1,417 Milliarden Euro. Die stationäre Pflege schlägt mit zusätzlichen 1,35 Milliarden Euro zu Buche (S.50). Pflegebedürftigkeit nach Leistung: Die Anzahl der Pflegebedürftigen wird in jeder Leistungsart immer größer. Während im Jahr 1996 nur 944.000 Personen Pflegegeld bezogen, waren es im Jahr 2015 bereits 1.33 Millionen. Bei der Pflegesachleistung gab es im selben Zeitraum einen Anstieg von 106.000 auf 181.000 Bezieher und bei der Kombinationsleistung von 135.000 auf 408.000 Betroffene. Die Zahl derer, die vollstationäre Pflege erhielten, erhöhte sich von 355.000 auf 677.000 Frauen, Männer und Kinder (S.72). Unterschiede zwischen den Bundesländern: Die Zahl der Pflegebedürftigen hat sich zwischen den Jahren 1999 und 2013 höchst unterschiedlich entwickelt. In Schleswig-Holstein stieg sie um 8,8 Prozent von 76.000 auf 83.000 Betroffene an. In Brandenburg dagegen erhöhte sie sich um 60,0 Prozent von 64.000 auf 103.000 (S.75 u. 76). Verlauf der Pflege: Je länger die Betroffenen pflegebedürftig sind, desto wahrscheinlicher ist die Inanspruchnahme professioneller Hilfe. Bei Eintritt der Pflegebedürftigkeit müssen nur elf Prozent aller Betroffenen sofort in die vollstationäre Pflege. Nach vier Jahren leben n
ur noch 38 Prozent aller Pflegebedürftigen. Von diesen wiederum befinden sich dann 29 Prozent in vollstationärer Pflege (S. 165).
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