Was unterscheidet eine Gesundheits-App von einer Medizin-App? Wann ist eine Gesundheits-App ein Medizin-Produkt und was ist eine Medical App? Häufig werden die Begrifflichkeiten unscharf genutzt oder sogar synonym verwendet. Auch wenn es keine verbindliche Definition gibt (1), hat sich die folgende Systematik bewährt: Danach lassen sich die mittlerweile über 140.000 sogenannten „Gesundheits-Apps“ sinnvoll einteilen nach den Gesundheitszielen, die eine App verfolgt und den Nutzerzielgruppen, für die die App gemacht ist.
Definition Gesundheits-App, Medizin-App, App als Medizinprodukt
- Gesundheits-App richten sich demnach an gesunde Nutzer, die sich mit der App bei einem gesundheitsförderlichen Lebensstil unterstützen wollen, die ihre Ressourcen – zur Entspannung, zum besseren Verständnis ihres Körpers, zu einer gesunden, bewegten Lebensführung – mit Hilfe einer App stärken wollen.
Im englischen Sprachraum werden diese Apps auch als Health Apps bezeichnet - Medizin-Apps sind im Gegensatz dazu für Patienten oder deren Angehörige bestimmt, die nach einer Unterstützung suchen, um ihren Alltag, z. B. mit einer chronischen Krankheit, besser bewältigen zu können. Diese Apps sind darauf ausgerichtet, die „Selbstbefähigung“ von Betroffenen zum Krankheitsmanagement zu stärken.
Auch Apps, die Angehörige von Heilberufsgruppen (Ärzte, Pflegekräfte, Therapeuten) z. B. mit Nachschlagewerken, Dosierungsrechnern, medizinischen Entscheidungshilfen in ihrem Praxis- oder Klinikalltag unterstützen, zählen zu den Medizin-Apps.
Im englischen Sprachraum werden Medizin-Apps auch als Medical Apps bezeichnet. - Sowohl Gesundheits-Apps als auch Medizin-Apps können als Medizinprodukte (MPG § 3) in Verkehr gebracht werden, wenn der Anbieter sie mit einer sogenannten „primären medizinischen Zweckbestimmung“ anbieten will. Dies ist erforderlich, wenn die App die Vermeidung, Diagnose oder Therapie von Krankheiten unterstützen will. Diese Apps müssen – je nach Risikoklasse der App – in einem mehr oder weniger aufwändigen Prozess ein sogenanntes EU Konformitätsverfahren durchlaufen (Anhang IX der Richtlinie 93/42/EWG). Dann dürfen diese Apps ein CE-Kennzeichen tragen (2).
Gesundheits- und Medizin-Apps, die als Software ein Messgerät oder einen Sensor in einem Wearable steuern oder dessen Anwendung beeinflussen, werden automatisch derselben Risikoklasse zugerechnet wie das Produkt, das sie steuern. Medizin Apps auf Smartphones und Tablets können meistens der Risikoklasse I zugeordnet werden. Bei Medizinprodukte zur Diagnose oder Kontrolle von Vitalfunktionen (z. B. Herzfunktion) kann eine Einstufung in höhere Risikoklassen IIa oder IIb erforderlich sein.
Wichtig: Die inhaltliche Qualität, der Nutzen für den Anwender, die Bedienbarkeit der App oder auch der Umgang mit den Nutzerdaten und der Schutz der Privatsphäre des Nutzers sind nicht Gegenstand dieser Prüfung. CE gekennzeichnete Apps sind demnach nicht von vorneherein besser oder vertrauenswürdiger als andere Apps. Das sollten Verbraucher wissen.
Vermarktung als Medizin-App oder Gesundheits-App?
In den großen Stores (Google Play, Apple iTunes) werden über 2 Millionen Apps in derzeit 20 verschiedenen Kategorien angeboten, in den beiden Kategorien „Gesundheit & Fitness“ und „Medizin“ sind es derzeit ca. 140.000. Es liegt alleine im Ermessen des jeweiligen Anbieters, in welcher Kategorie er seine App veröffentlicht. Die Stores prüfen nicht, ob die Kategorie zum Inhalt der App passt. So gibt es Apps, die nach der Definition oben in der Kategorie „Gesundheit & Fitness“ zu finden sind, obwohl sie sich z. B. an Patienten richten. Umgekehrt finden sich in der Kategorie „Medizin“ Apps, die nach der Definition oben eher als Gesundheits-App einzuordnen sind.
Welche Rolle spielen derzeit Gesundheits-Apps, die als Medizinprodukte vermarktet werden?
Rein quantitativ keine große! Von den insgesamt 7.500 deutschsprachigen Apps, die in den beiden Kategorien „Gesundheit & Fitness“-und „Medizin“ in Google Play derzeit angeboten werden, sind 10 Apps als Medizinprodukt deklariert. Dass ein Verbraucher oder Patient bei der Suche nach einer Gesundheits-App im Store auf eine solche CE-zertifizierte App trifft, ist sehr unwahrscheinlich. In der Regel gelangen Gesundheits- und Medizin-Apps ohne Prüfung in die Stores. Ob die gesundheitsbezogenen Informationen korrekt sind, die Gesundheitsrechner richtige Ergebnisse ermitteln oder die Gesundheitstipps den Empfehlungen der aktuellen medizinischen Leitlinien entsprechen, prüft niemand, das ist Vertrauenssache.
Deshalb sollten Nutzer wachsam sein und selbst abschätzen, ob eine Gesundheits-App dieses Vertrauen verdient. Fehlen die dazu notwendigen Basisangaben (Impressum, Datenschutzvereinbarung, Autoren- und Quellenangaben, Angaben zu Finanzierungs- und Werbepolitik) haben Nutzer keine Chance zu erkennen, mit wem sie es zu tun haben, welche Motive der Anbieter verfolgt, der die App kostenlos zur Verfügung stellt oder wie dieser mit den Nutzerdaten umgeht.
In diesem Fall ist es ratsam, nach Alternativen zu suchen, insbesondere, wenn die App ernsthaft genutzt werden soll, um Gesundheitsziele zu erreichen, z. B. eine chronischen Krankheit besser zu bewältigen, und wenn die App viele persönliche Gesundheitsdaten des Nutzers sammelt.
- Weiter zur Checkliste, die Verbraucher hilft, das Risiko einer Gesundheits-App abzuschätzen
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Quellen
- Scherenberg V, Kramer U (2013). Schöne neue Welt: Gesünder mit health-Apps? HealthCare Marketing. 2013, 115-119. New Business Verlag
- Orientierungshilfen Medical Apps, Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, 9.10.2015
- Studie Gesundheits- & Versorgungs-Apps: Hintergründe zu deren Entwicklung und Einsatz. 2015