„Kennst du einen guten Arzt?“ Diese Frage hat wohl jeder schon einmal gestellt oder zumindest gehört. Schließlich möchte man seine Gesundheit in den besten Händen wissen. Die Patienten von heute – und noch mehr die von morgen – machen sich dabei ihr Bild meist im Internet: Dort bündeln Bewertungsportale die Erfahrungen und Meinungsäußerungen Tausender Patienten. Einer Studie der Universität Erlangen zufolge nutzen 58 Prozent der Befragten entsprechende Angebote. Und mehr als die Hälfte der Befragten habe sich schon einmal aufgrund einer negativen Bewertung gegen einen Arzt entschieden.
Wer Bewertungsportale nutzt, tut jedoch gut daran, sich einen medienkritischen Blick zu bewahren. Denn längst nicht alles, was sich „Arztbewertung“ nennt, wird diesem Anspruch auch gerecht. So präsentieren die meisten Portalbetreiber lediglich eine zufallsbedingte Sammlung von User-Meinungen, methodisch zumeist nur begrenzt aussagekräftig. Hier und da konnten sich Ärzte auch gegen Entgelt eine bevorzugte Listung sichern. Entgegen landläufiger Meinung stellt das noch nicht wirklich eine Arztbewertung dar, die diese Bezeichnung verdient. Ja, es kann sogar irreführen und hat mit einer fairen und methodisch sauberen Beurteilung wenig zu tun.
Schmähungen gehören nicht ins Netz
Ein grundlegender Parameter, auf den Nutzer achten sollten, ist natürlich die Anzahl der aggregierten Meinungsäußerungen: Eine einzelne Stimme stellt noch lange keine aussagekräftige Bewertung dar. Zweitens sollten die Bewertungen nach einheitlichen Kriterien erfolgen, um sie vergleichbar zu machen. Freitext-Kommentare allein genügen da nicht – auch wenn sie als Zusatz-Element viel darüber aussagen, wess‘ Geistes Kind der Urheber ist und in welchem Gemütszustand er war. Dabei ist es zum Schutz der Ärzte unabdingbar, dass fachlich qualifizierte Moderatoren jede Bewertung sichten, bevor sie veröffentlicht wird. Nur so lässt sich verhindern, dass unqualifizierte und gar arglistige Schmähungen und persönliche Angriffe ins Netz gelangen. Die Stiftung Gesundheit geht sogar noch einen Schritt weiter: Sie informiert jeden Arzt vorab über neue Bewertungen zu seiner Person, damit er noch vor der Veröffentlichung dazu Stellung nehmen kann. Denn Ärzte haben wie alle Menschen das Recht, respektvoll behandelt zu werden – auch wenn es Anlass zur Kritik gibt.
Aber auch wenn all diese Faktoren erfüllt sind, blieb bisher ein grundsätzliches Problem ungelöst: Bislang sammelten die heutigen Bewertungsportale lediglich Meinungsäußerungen von Patienten. Im Falle von beispielsweise Restaurantbewertungen mag die Kundenzufriedenheit ja durchaus die einzig entscheidende Größe sein. Geht es aber um Ärzte, reicht deren Aussagekraft deutlich weniger weit. Denn Patienten können zwar einschätzen, wie viel Zeit sich der Arzt für sie nimmt, ob das Personal freundlich und die Wartezeiten angemessen sind – aber sind sie als Laien auch in der Lage, die medizinisch-fachliche Kompetenz des Arztes zu beurteilen? Experten sagen ganz klar: Patienten fehlt die Fachkunde, um medizinische Leistungen bewerten zu können. Denn die subjektiv angenehmste Therapie ist eben nicht immer auch die beste.
Patienten erwarten Transparenz – auch in Sachen Fachkompetenz
Aus diesem Grund hat die Stiftung Gesundheit in Zusammenarbeit mit dem Institut für Public Health der Universität Heidelberg ein System entwickelt, um die fachliche, die medizinische Reputation der Ärzte zu messen. Im Kern bewertet und würdigt dabei die fachgebundene Peer-Group die medizinische Kompetenz ihrer Kollegen. In die Bewertung fließt beispielsweise ein, welche Kollegen Ärzte selbst im Bedarfsfall aufsuchen würden, ob ein Arzt eine leitende Tätigkeit in einer Fachgesellschaft ausübt, regelmäßige Vorträge auf wissenschaftlichen Symposien und Fachtagungen hält oder auch als medizinischer Gutachter tätig ist. Das Ergebnis wird anschließend als Gegenstück zur Patienten-Bewertung im Arztprofil des jeweiligen Arztes angegeben. Entwicklungspartner dieses Systems sind das Institut für Public Health (MIPH) der Uni Heidelberg sowie das Picker Institut. Ab 2016 ermittelt die Stiftung Gesundheit gemeinsam mit dem Focus-Magazin regelmäßig die regionalen Top-Mediziner Deutschlands – in allen Fachdisziplinen und flächendeckend in allen Regionen.
Ja, es ist durchaus möglich, dass der eine oder andere die „Arztbewertung 2.0“ als lästig empfinden mag. Gerade deshalb besser ein mehrdimensionales System als nur das heutige eher eindimensionale. Denn waren früher Patienten noch im Wortsinne die „Erduldenden“, so erwarten etliche heute dagegen Transparenz – auch in Sachen Fachkompetenz.
Ärzte, die fachlich und menschlich gute Arbeit leisten, brauchen sich vor dem öffentlichen Feedback nicht zu fürchten. Ganz im Gegenteil: Sie können es als Chance nutzen, sich durch Patientenfreundlichkeit, Service und Fachkompetenz von der Konkurrenz abzuheben. Denn eines ist klar: Die Zukunft gehört nicht mehr den Halbgöttern, sondern den Partnern in Weiß.