Wir haben mit Moritz Völker, dem Vorsitzenden des Ausschusses der Medizinstudierenden im Hartmannbund, über aktuelle Themen gesprochen, denen sich der Bund derzeit widmet. Es geht um „Studienzeiten im Praktischen Jahr“, das Medizinstudium 2020 und die PJ-Aufwandsentschädigung. Der 25-Jährige, der ursprünglich aus Brandenburg stammt, studiert Humanmedizin an der Universität Witten/Herdecke. Im November 2016 startet er in sein Praktisches Jahr.
Gesundheitshelden: Mit dem kürzlich veröffentlichten Positionspapier zum Thema „Studienzeiten im Praktischen Jahr“ widmen sich die Medizinstudierenden des Hartmannbundes einem Thema, das jeden Medizinstudierenden früher oder später betrifft. Wie sieht die aktuelle Situation im Hinblick auf die Studientage derzeit aus?
Moritz Völker: Es gab und gibt in der Ärztlichen Approbationsordnung, die die Rahmenbedingungen unseres Studiums festlegt, leider keine explizite Regelung für Studientage im PJ. Trotzdem war es bis zur letzten Novellierung im Jahr 2012 bundesweit üblich, einen Studientag pro Woche zu erhalten. Mit dieser Änderung ging auch die Splittung des sogenannten Hammerexamens einher. Die schriftliche und die praktische Prüfung lagen seitdem wieder – übrigens auch aufgrund des Engagements des Hartmannbundes und seiner vielen studentischen Mitglieder – vor (schriftlich) und nach dem PJ (mündlich) und mussten nicht mehr innerhalb kurzer Zeit bewältigt werden. Das war ein toller Erfolg. Und jetzt das „Aber“. Diese Regelung hat viele Universitäten dazu veranlasst, die bisher „geduldeten“ Studientage abzuschaffen. Dies wurde oft damit begründet, dass es das Hammerexamen ja nicht mehr in der bisherigen Form gäbe und damit auch die erforderliche Lernzeit entfalle. Das stimmt aber nur teilweise. Nach wie vor gilt es im PJ, das Erlernte sinnvoll und gewinnbringend zu verarbeiten. Außerdem steht für alle nach dem PJ eine schwierige mündliche Prüfung an, für die es intensiver Vorbereitungen bedarf. Was auch vergessen wird, ist die Tatsache, dass sich die meisten Studierenden fast ihren kompletten PJ-Urlaub direkt vor die Lernzeit legen, um „am Stück“ für die abzuprüfenden Fächer lernen zu können. Das ist ein Unding.
Gesundheitshelden: Warum sind Studienzeiten in der praktischen Phase des Medizinstudiums so wichtig?
Moritz Völker: Die Studierenden werden auf ihren PJ-Stationen mit vielen neuen Situationen konfrontiert. Diese müssen aufgearbeitet werden. Damit meine ich bestimmte Erkrankungen, Medikamentenplänen, Operationsabläufen etc. Vieles davon lernt man nicht „einfach so nebenbei“, sondern muss sich oft auch einfach nochmal hinsetzen und ein paar Bücher wälzen. Das Motto sollte sein: einen Fall in der Praxis sehen und zeitnah theoretisch unterfüttern. So bleiben die Fakten hängen und können für ähnliche Situationen angewendet werden.
„Die Studientage dienen dem Lernen und könnten mit spezifischen Aufgaben gefüllt sein.“
Ein weiteres wichtiges Argument für Studienzeiten ist die Möglichkeit, dass Studientage auch eine Möglichkeit bieten, bestimmte Situationen zu verarbeiten, zu besprechen und zu rekapitulieren. In der Medizin gibt es oft auch belastende Situationen, die für Studierende schlichtweg neu sind. Viele glauben, dass wir nur einen Tag mehr zum Feiern haben wollen. Das ist natürlich Quatsch. Die Studientage dienen dem Lernen und könnten mit spezifischen Aufgaben gefüllt sein – zum Beispiel der Aufarbeitung von Patientenfällen, dem Erstellen eines Therapieplans etc. Ich möchte noch einmal ganz klar betonen, dass das PJ nicht einfach nur das 6. Studienjahr ist, sondern eine wichtige Zeit, um sich auf die folgende Facharztausbildung vorzubereiten. Was hier versäumt wird, ist später nur schwer aufzuholen. Das PJ ist nicht zuletzt auch ein wesentlicher Faktor zur Qualitätssteigerung der Arbeit der angehenden Ärzte. Man muss den Studierenden eine Möglichkeit einräumen, Erfahrungen aus der Arbeitswelt durch das Eigenstudium nachzuarbeiten. Dadurch werden die späteren Assistenzärzte übrigens wesentlich weniger Einarbeitungszeit benötigen – und das kann am Ende des Tages auch den Krankenhäusern zugutekommen. Deswegen ist uns die Einführung von Studientagen an allen Fakultäten so wichtig, deswegen legen wir einen so großen Wert auf eine optimale Ausgestaltung des PJ.
Gesundheitshelden: Die Studierenden werden im PJ mancherorts als Vollzeitkräfte eingesetzt und sind Teil des Stationsalltags. Könnte die Einführung von Studienzeiten zu Personalengpässen führen?
Moritz Völker: Die Studierenden befinden sich in der ärztlichen Ausbildung, auch wenn sie sehr oft für Tätigkeiten herangezogen werden, die nichts mit den PJ-Vorgaben zu tun haben. Ich würde aber nicht davon sprechen, dass Personalengpässe entstehen, nur weil die Studierenden Studientage erhalten. Dass Kliniken deutschlandweit unter großem wirtschaftlichen Druck stehen, ist kein Geheimnis. Gleiches gilt für den Personalmangel und die hohe Arbeitsbelastung der meisten Ärzte. Dies zu ändern, hat nichts mit unserem Anliegen zu tun, Studientage bundesweit einheitlich einzuführen.
„Es soll ein Mindestmaß an strukturiertem Unterricht im PJ von mindestens vier Stunden pro Woche geben.“
Gesundheitshelden: Welches sind die konkreten Forderungen der Medizinstudierenden im Hartmannbund?
Moritz Völker: In Bezug auf die Studientage im PJ fordern wir vor allem eine bundesweit einheitliche Regelung. Diese sollte unserer Meinung nach so aussehen, dass 20 Prozent der wöchentlichen Ausbildungszeit im PJ zum freien Eigenstudium zur Verfügung stehen. Dies kann Eigenstudium in der Klinik sein – ganz flexibel an einem bestimmten Tag in der Woche oder täglich zwei Stunden. Darüber hinaus soll es ein Mindestmaß an strukturiertem Unterricht im PJ von mindestens vier Stunden pro Woche geben. Außerdem darf krankheitsbedingtes Fernbleiben vom PJ-Ausbildungsplatz nicht auf das Fehltage-Kontingent angerechnet werden. Wer krank ist, ist krank und sollte sich nicht auf die Arbeit „schleppen“ müssen. Neben dem Risiko für die Studierenden selbst ist das im Übrigen auch nicht unerheblich für die Patienten. Und wie bereits gesagt, nehmen viele PJ-Studierende so gut wie keinen Urlaub, um am Ende ihrer PJ-Zeit lernen zu können.
Gesundheitshelden: Welche Themen sind den Medizinstudierenden des Hartmannbundes noch wichtig? Woran arbeiten Sie aktuell?
Moritz Völker: Zurzeit haben wir verschiedene größere Baustellen. Eine ganz wesentliche ist der „Masterplan Medizinstudium 2020“. Hier soll es noch im Frühsommer ein Eckpunktepapier der zuständigen Bund-Länder-Arbeitsgruppe geben, das wiederum eine Veränderung der ärztlichen Approbationsordnung mit sich bringen kann. Schwerpunktthemen sind das Zulassungsverfahren, die Praxisorientierung sowie die Stärkung der Allgemeinmedizin im Studium. Unsere zentralen Forderungen sind: Quartalisierung des PJ (unter anderem um Studierenden die Möglichkeit anzubieten, ein Wahlquartal in der ambulanten Versorgung zu absolvieren), kein weiterer PJ-Pflichtabschnitt (auch nicht in der Allgemeinmedizin), Vermittlung wissenschaftlicher Kompetenzen frühzeitig im Studium, frühzeitige Einbindung der Allgemeinmedizin in das Studium, flächendeckend Lehrstühle für Allgemeinmedizin, stärkerer Fokus auf Wahlveranstaltungen zur Allgemeinmedizin und keine Einführung einer Landarztquote.
Der Hartmannbund hat sich in den vergangenen Monaten intensiv in die Erstellung des Masterplans eingebracht – mit einer Umfrage zum Thema, an der mehr als 7.000 Medizinstudierende teilgenommen haben, einem umfangreichen Positionspapier und mit unserer Teilnahme am Expertengespräch der Bundesregierung im November letzten Jahres. Gemeinsam mit der Bundesvertretung der Medizinstudierenden (bvmd) hat sich der Ausschuss der Medizinstudierenden im Hartmannbund zudem am 11. Februar mit einem offenen Brief zum „Masterplan Medizinstudium 2020“ an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Johanna Wanka, gewandt, um noch einmal auf die wichtigsten studentischen Positionen und Argumente aufmerksam zu machen. Ziel des Briefes war es, darauf hinzuweisen, dass das Eckpunktepapier „Masterplan Medizinstudium 2020“ keine Positionen enthalten sollte, die ungeeignet sind, das Medizinstudium der Zukunft wirklich sinnvoll zu reformieren. Dies sei umso wichtiger, da davon auszugehen ist, dass der „Masterplan Medizinstudium 2020“ Grundlage einer möglichen Veränderung der Approbationsordnung für Ärzte sein könnte, heißt es in dem Brief.
Gesundheitshelden: Seit einigen Jahren kämpft der Hartmannbund für die Einführung einer bundesweit einheitlichen PJ-Aufwandsentschädigung in Höhe des Bafög-Höchstsatzes (aktuell 597 Euro). Wie ist hier der Stand der Dinge?
Moritz Völker: Wir waren die Ersten, die in Sachen PJ-Aufwandsentschädigung einen deutschlandweiten Status Quo erhoben haben. Unsere PJ-Liste verschafft einen bundesweiten Überblick, wo eine PJ-Aufwandsentschädigung gezahlt wird und wie hoch diese ist. Die Liste versuchen wir immer aktuell zu halten. Mit unserer Kampagne „Auch wir sind das Krankenhaus – 597 Euro für einen studentischen Vollzeitjob“ waren wir im Jahr 2014 auf dem Deutschen Ärztetag in Düsseldorf. Und auch gegenüber dem Medizinischen Fakultätentag haben wir Stellung bezogen – mit zahlreichen Gesprächen und einem sehr umfangreichen Positionspapier, das von den Studiendekanen der 37 Medizinischen Fakultäten im November letzten Jahres besprochen wurde. Leider haben wir darauf eine enttäuschende Antwort erhalten. Die Mehrheit der Fakultäten kann sich eine bundesweit einheitliche PJ-Aufwandsentschädigung nicht vorstellen. Diese Aussage mussten wir so natürlich erst einmal hinnehmen, werden aber nicht locker lassen.
Gesundheitshelden: Vielen Dank für das Interview und den Einblick in die Arbeit der Medizinstudierenden des Hartmannbundes. Ihnen und dem Bund viel Erfolg bei Ihren Vorhaben.
Bild: Hartmannbund
Der Beitrag „Wir brauchen im PJ mehr Zeit zum freien Eigenstudium.“ erschien zuerst auf gesundheitshelden.eu – Deine Karriereplattform.