Es gibt Situationen, da hat man von Anfang an ein ungutes Bauchgefühl.
Auch wenn wir im Rettungsdienst tatsächlich selten mit echten Notfällen zu tun haben, sind die Situationen für die Patienten und Angehörigen meist ein großer Stressfaktor. Die Stimmung ist oft sehr angespannt.
Meist gelingt es, mit ruhigem und professionellem Auftreten die Situation zu entspannen und (für beide Seiten) den Druck rauszunehmen. So kann man wesentlich besser arbeiten, die Mitarbeit der Patienten verbessert sich, Angehörige werden kooperativer und halten uns nicht davon ab, unsere eigentliche Arbeit zu tun (nämlich, sich um den Patienten zu kümmern, nicht wuselige Angehörige einzufangen).
Manchmal klappt das nicht.
Wir sind zu dritt auf unserem Rettungswagen. Zwei Rettungsassistenten (ich und ein männlicher Kollege) und ein männlicher Praktikant, der gerade seinen Rettungshelfer gemacht hat und jetzt nen Monat bei uns mitfährt.
Einer unserer ersten Einsätze an dem Tag ist eine Patientin mit Verdacht auf Herzinfarkt. Der Notarzt ist da mitalarmiert und auf dem Weg, aber weil die Wohnung, zu der wir gerufen wurden, in der Nähe der Wache liegt, sind wir deutlich eher da als das NEF.
Der Kollege und ich sind ein eingespieltes Team. Er redet mit der Patientin, um herauszufinden was passiert ist, ich mach die ganze Diagnostik, der (recht frische und unerfahrene) Praktikant reicht mir alles an, was ich brauche.
Ich klebe die EKG-Elektroden auf und betrachte den Rhythmus auf dem Monitor. „Normaler Sinusrhythmus, bisschen schnell“ raune ich meinem Kollegen zu.
Einen Herzinfarkt können wir natürlich nicht ausschließen, das muss im Krankenhaus geschehen, aber wir wissen jetzt, dass wir ein bisschen mehr Zeit haben.
Noch bevor mein Kollege irgendwie reagieren kann, packt der Angehörige ihn an den Schultern, schüttelt ihn und brüllt „Jetzt gucken Sie doch wenigstens mal auf das Gerät!“. Völlig perplex sage ich, dass ich das schon im Blick habe. Daraufhin schubst der Angehörige mich vom Defi weg und brüllt mich an, dass ich ja wohl kein Arzt sei.
Wir stellen richtig, dass niemand von uns Arzt ist, und bitten den Angehörigen, sich zu beruhigen und uns nicht noch einmal körperlich anzugehen, weil wir uns sonst nicht um seine Ehefrau kümmern können.
Der Angehörige lässt sich aber nicht mehr beruhigen, beschimpft uns wüst und wirft mit seinem Telefon nach uns.
Wir sehen uns dazu gezwungen, die Patientin und unsere Ausrüstung zurückzulassen, die Wohnung zu unserem eigenen Schutz zu verlassen, und (gemeinsam mit dem Notarzt und seiner Rettungsassistentin) vor dem Haus im RTW auf die Polizei zu warten.
Eigenschutz geht immer vor. Wenn du uns angreifst, weil wir uns in deinen Augen nicht gut genug um den Patienten kümmern, erreichst du das Gegenteil. (Und du hast dann halt zusätzlich noch ein Problem mit der Polizei. Die finden es auch gar nicht lustig, wenn Retter angegriffen werden.)
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