Mobile Retter können Leben retten, wenn sie rechtzeitig von Notfällen erfahren. Dafür möchte das, 2014 in Gütersloh eingeführte, „Mobile Retter“-System sorgen. Es setzt auf moderne Technik und das Potential gut ausgebildeter Fachkräfte. Mehr erfahrt Ihr im folgenden Interview mit dem Initiator Dr. Ralf Stroop.
Gesundheitshelden: Herr Dr. Stroop, auf der Webseite des Vereins „Mobile Retter e.V.“ werden Sie als „geistiger Vater des Projekts“ bezeichnet. Wann und wie sind Sie auf die Idee gekommen, dass die Notfallversorgung durch ein System und eine App unterstützt werden kann und vielleicht auch sollte?
Dr. Stroop: Aus meiner notärztlichen Tätigkeit heraus kenne ich das Dilemma: wir werden mit dem Stichwort „Herz-Kreislauf-Stillstand“ zu einem Patienten gerufen und wir wissen, wir brauchen trotz Blaulicht und Martinshorn vielleicht acht, zehn, oder gar 12 Minuten bis zum Eintreffen am Patienten. Und wir ahnen: wenn nicht bereits ein Angehöriger, Passant, Nachbar oder Arbeitskollege lebenserhaltende Sofortmaßnahmen eingeleitet hat, dann kommt unsere Hilfe wahrscheinlich zu spät. Und selbst wenn es uns gelingt, das Leben des Menschen zu retten, so sind bereits höchstwahrscheinlich unwiderrufliche Hirnschäden eingetreten, die wir auch trotz aller intensivstationären HighTech-Medizin nicht beeinflussen können und die den Menschen zum Pflegefall werden lassen.
Die Idee zu der Smartphone basierten Alarmierung medizinisch trainierter Ersthelfer kam mir dann aber, als ich eines Tages zu Hause saß und der Rettungsdienst zu einem Notfall in die Nachbarschaft eilte. Mein Smartphone in der Hand haltend, hätte ich doch – deutlich vor Eintreffen des Rettungsdienstes – zum Nachbarn laufen können, um Wiederbelebungsmaßnahmen einleiten zu können. Hätte. Wenn ich nur von dem Notfall in meiner unmittelbaren Umgebung gewusst hätte.
Dr. Ralf Stroop studierte Medizin, absolvierte seinen Facharzt für Neurochirurgie/Notfallmedizin und ist seit vielen Jahren als Notarzt im Einsatz. Er entwickelte das Konzept des „Mobilen Retters“ und initiierte das Projekt.
Weitere Informationen bekommt Ihr auf der Webseite des Vereins. Dort findet Ihr ebenfalls die aktuellen Ausbildungstermine und weitere Informationen über den Verein, das System und die beteiligten Personen. Vielleicht werdet Ihr ja schon bald Ersthelfer Nummer 615.
Gesundheitshelden: Unsere Gesundheitshelden und –heldinnen interessieren sich bestimmt, wie Ihr System funktioniert. Würden Sie die Funktionsweise bitte kurz erläutern? Inwiefern unterscheidet es sich von einem HVO/First-Responder-System?
Dr. Stroop: First Responder-Systeme haben, gerade in ländlichen Gegenden, die Aufgabe, die notfallmedizinische Versorgung umfänglich zu optimieren. Als First Responder werden diese besonders geschulten Kräfte über einen Melder alarmiert und eilen dann zum Einsatz. Die Mobilen Retter jedoch – und von daher konkurrieren die System auch nicht, sondern sie ergänzen sich – werden nur beim plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand oder bei der Bewusstlosigkeit alarmiert. Mit einem möglichst engmaschigen Netz an Mobilen Rettern gelingt es nun mit hoher Wahrscheinlichkeit – über die Ortungsfunktion des Smartphones – einen Mobilen Retter aus der unmittelbaren Umgebung aufzuspüren, der – zwar ohne besonderes Equipment – aber schnellstmöglich am Einsatzort eintreffen kann, denn wir wissen: „Time is Brain!“
Gesundheitshelden: Derzeit setzen nur zwei Leitstellen in Deutschland das System der Mobilen Retter ein. Planen Sie, das System deutschlandweit zu etablieren? Mit welchen Hürden haben Sie derzeit bei der Umsetzung zu kämpfen?
Dr. Stroop: Richtig. Aktuell nutzen zwei Kreise das „Mobile Retter“-System. In einem weiteren Kreis trainieren wir derzeit die Mobilen Retter, nach den Sommerferien geht es auch hier los. Eine Region in Bayern registriert bereits die Ersthelfer, so dass wir auch hier noch dieses Jahr an den Start gehen werden. Und mit etwa einem weiteren halbdutzend Kreisen planen wir gerade die ersten Schritte.
Wie alles was neu ist, braucht es auch hier gewisse Zeit, bis wir überzeugen konnten. Auch mussten wir einige verwaltungsrechtliche Aspekte, wie den Versicherungsschutz der Mobilen Retter, geklärt werden. Aber die Erfolge geben uns Recht: wir können bereits einige Menschen benennen, die Dank der Mobilen Retter-Alarmierung überlebt haben.
Wer kann Mobiler Retter werden?
Gesundheitshelden: Wer kann Mobiler Retter werden und wie stellen Sie sicher, dass die Mobilen Retter fachkundig handeln?
Dr. Stroop: Vereinfacht gesagt: alle die, die bereits trainiert sind in Wiederbelebungsmaßnahmen oder Personen, wie Feuerwehrleute, Polizisten, Helfer des THWs, die einsatzerfahren sind, sind aufgerufen mitzumachen: Sanitäter, Medizinstudenten, Arzthelferinnen, Gesundheits- und Pflegekräfte, Rettungsschwimmer, Ärzte – und wahrscheinlich habe ich auf die Schnelle noch einige Personenkreise vergessen. Alle diese werden vor der Registrierung noch einmal ausführlich trainiert in der Säuglings-, Kinder- und Erwachsenen-Reanimation. Wir prüfen im Vorfeld keine Examenszeugnisse, aber wir lassen uns am Schluss des Trainings noch einmal die Maßnahmen vormachen, damit wir sicher sind, dass die Mobilen Retter auch wirklich hinreichend qualifiziert sind. Denn wenn man als Mobiler Retter alarmiert wird, gelangt man mit hoher Wahrscheinlichkeit auch wirklich zu einem lebensbedrohlichen Notfall…
Gesundheitshelden: Die Ersthilfe am Unfallort ist lebenswichtig. Möchten Sie einen „Aufruf“ an unsere Gesundheitshelden und –heldinnen richten, um sie als Mobile Retter zu gewinnen.
Dr. Stroop: Vielleicht darf ich kurz korrigieren. Wir sprechen hier weniger vom „Unfall“. Also nicht der Verkehrsunfall oder der Leitersturz ist der typische Notfall. Es ist der plötzliche Kreislaufstillstand, die plötzliche Bewusstlosigkeit, für die unsere Basiskenntnisse, die wir als Beschäftigte im Gesundheitswesen ja eh schon haben, völlig ausreichen. Ja, nach unserem aktuellen Training sind es genau diese Personen, die bei einem plötzlichen Herz-Kreislaufstillstand in ihrer Nachbarschaft, ihrem Namen mehr als gerecht werden: Gesundheitshelden!
„Wir können Unterstützung in allen Bereichen wirklich gut gebrauchen.“
Gesundheitshelden: Wie kann man sich sonst als ehrenamtlicher Helfer im Verein engagieren?
Dr. Stroop: Danke für diese Frage! – Wir können Unterstützung in allen Bereichen wirklich gut gebrauchen. Sei es als Trainer für unserer Mobilen Retter, als Kommunikatoren, die das „Mobile Retter“-Projekt auch in anderen Kreisen thematisieren, oder als Teil unserer Nachsorge-Crew, denn alle Mobilen Retter werden nach einem Einsatz einmal kontaktiert, um herauszuhören, ob „alles Gut“ ist. Und es sind auch die administrativen Bereiche, wie Homepage, App-Entwicklung oder Presse, in denen wir engagierte Mitarbeiter gerne willkommen heißen.
Gesundheitshelden: Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen und dem Team des „Mobile Retter e.V.“ weiterhin viel Erfolg beim Projekt.
Dr. Stroop: Der Dank geht an die Gesundheitshelden, dass wir unser lebensrettendes Projekt hier vorstellen durften!
Bilder: Dr. Ralf Stroop, Mobile Retter e.V.
Der Beitrag Vom Smartphone direkt an den Notfallort – Das „Mobile Retter“-System zur Notfallversorgung erschien zuerst auf gesundheitshelden.eu – Deine Karriereplattform.