Aktenschieben gehört zu den komplexesten Tätigkeiten im ärztlichen Alltag. Oft gibt es sogar schon die Akte bevor der Patient überhaupt da ist.
Die Wanderung der Akte durch die Klinik ist komplizierter und verlustreicher als die Wanderung der Pinguine zur Paarungszeit durch die Antarktis. Sie beginnt mancherorts bereits in der Notaufnahme, anderenorts erst auf der Station. Bereits am ersten Tag wird sie mit ersten Befunden bestückt, die dann über die Tage hinweg den Patienten beharrlich von Untersuchung zu Untersuchung begleiten. Manch eine Akte bleibt dabei auf der Strecke.
Sie nimmt rasch an Umfang zu und ist oftmals gar nicht mehr in der Lage, all die losen Blätter zu halten. Aber aufgepasst, wenn man grob zu ihr ist, schneidet sie einen mit ihren scharfen Papierkanten. Doch die beschwerlichste Reise steht ihr bei der Entlassung des Patienten bevor. Kaum einer durchblickt die lange Wanderung der Akte auf dem Weg der Arztbriefentstehung von der Sekretärin zum Assistenzarzt über den Kodierassistenten und zurück zum Assistenzarzt mit kurzem Umweg über den Oberarzt…oder halt, war es doch andersrum?
Jedenfalls ist das Endziel jeder Akte immer dasselbe, sie landet irgendwann auf wundersamen Wegen im Fach eines Assistenzarztes, wo sie dann oft erstmal für Tage (bis Monate…) zur Ruhe kommen kann. Dann beginnt erst das wahre Aktenschieben. Das Ziel des Aktenschiebens ist es die Akte irgendwohin, Hauptsache weg aus dem eigenen Fach zu schieben. Denn was erstmal weg ist, fängt schon keinen Staub.
Mysteriöserweise tauchen oft Wochen später längst vergessen geglaubte Aktenleichen plötzlich wieder im eigenen Fach auf. Seltsamerweise füllt sich das eigene Aktenfach besonders gut in Urlauben, obwohl man doch eigentlich in seiner Abwesenheit gar keine Briefe diktiert… Das Aktenschieben ist eine wahre Sisyphosarbeit, man rollt die Akten den Berg rauf und dann fallen sie wieder runter…oder so ähnlich…