IGeL – „Irgendwie Geld einbringende Leistungen“. Diese wenig schmeichelhafte Abkürzung für „Individuelle Gesundheitsleistungen“ erfreut sich einiger Beliebtheit. Privatärztliche Leistungen, die Kassenpatienten auf Wunsch in Anspruch nehmen können, sind Zentrum einer bereits Jahre währenden Debatte, die durch die jüngste Analyse des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) wieder Fahrt aufgenommen hat. Unnötig? Abzocke? Um die Sinnhaftigkeit und den richtigen Umgang mit IGeL streiten Politik, Kassen und Ärzteschaft seit deren Einführung – die Patienten sind verständlicherweise irritiert. Daran möchte die Medizinjournalistin Tanja Wolf mit ihrem Buch „IGeL-Angebote beim Arzt“ etwas ändern.
Glücklicherweise verzichtet die Autorin auf Pauschalurteile. Denn die Leistungen seien nicht erfunden worden, um die Portemonnaies der Ärzte zu füllen; auch vom MDS als tendenziell positiv bewertete Angebote wie Stoßwellentherapie bei Fersenschmerz oder Lichtbehandlung bei Winterdepression zählen beispielsweise zu den IGeL. Allerdings auch so abenteuerliche Therapieverfahren wie die vermeintlich entschlackende Colon-Hydro-Therapie, eine umstrittene Form der Darmspülung. Obgleich die Leistungen also sehr verschieden sind, haben sie eines gemeinsam: Nicht die Kassen zahlen für sie, sondern der Patient.
Böse Überraschungen
Wolfs Buch „IGeL-Angebote beim Arzt – Was Sie über private Zusatzleistungen wissen müssen“ wird von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen herausgegeben. Es ist Sachbuch und Ratgeber zugleich: Die Entstehungsgeschichte und der besondere Status der IGeL in der kassenärztlichen Versorgung werden ebenso erklärt wie Kommunikationsstrategien, die Patienten beim Arzt böse Überraschungen ersparen sollen. Und davon, auch das berichtet Wolf, gibt es eine Menge. Daher gibt sich die Autorin einige Mühe, die wichtigsten IGeL zu beschreiben und zu bewerten. Ebenfalls hilfreich: In einem Service-Teil erhalten Patienten mithilfe eines Glossars und weiterführenden Informationen zusätzliche Orientierung.
Dabei lässt sich Wolf weder vor den Karren der Ärzte noch den der Patienten spannen – was angesichts der oft sehr emotional geführten Debatten nicht selbstverständlich ist. Den häufig gehörten Unkenrufen, dass die IGeL eine besonders hässliche Ausprägung der Zwei-Klassen-Medizin seien, begegnet sie mit sachlicher Aufklärung: Was Kassenleistung ist und was nicht, entscheidet der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland. Und dieses Gremium, dem auch Patientenvertreter beiwohnen, entscheidet nach Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und den Kriterien der evidenzbasierten Medizin. Das heißt: Der IGeL-Katalog besteht aus Leistungen, die der G-BA entweder als Kassenleistung ablehnt oder über die er noch keine Entscheidung getroffen hat.
Keine Entscheidung unter Zeitdruck treffen
Patienten rät Wolf daher zu Besonnenheit: Keine IGeL sei so wichtig, dass die Entscheidung, sie in Anspruch zu nehmen, unter Zeitdruck gefällt werden müsse. Und diese zentrale Erkenntnis richtet sie auch an jene Teile der Ärzteschaft, die ihre Patienten aus persönlichem Kalkül gern vom Gegenteil überzeugen würden. Diese schwarzen Schafe dürften mit gut informierten Patienten allerdings ihre Schwierigkeiten haben.
Wolf, Tanja: „IGeL-Angebote beim Arzt. Was Sie über private Zusatzleistungen wissen müssen“. 198 Seiten. Verbraucherzentrale NRW, Düsseldorf, 2015.
Eine Übersicht vieler IGeL finden Sie beim IGeL-Monitor. Das vom MDS initiierte Portal enthält Beschreibungen der Leistungen und eine wissenschaftliche Einschätzung zu ihrer Wirksamkeit.