Daniel Abmas Dokumentarfilm „Transit Havanna“ begleitet drei trans* Menschen auf Kuba, die auf eine geschlechtsangleichende Operation warten. Diese soll ein Programm finanzieren, das die Tochter des Staatspräsidenten leitet.
Pro Jahr erhalten auf Kuba fünf trans* Menschen eine kostenlose geschlechtsangleichende Operation. Dafür werden extra zwei Ärzte aus Holland und Belgien eingeflogen, die innerhalb einer Woche die lang ersehnten Eingriffe vornehmen. Organisiert wird das exklusive Angebot von Mariela Castro, Tochter des kubanischen Staatspräsidenten Raúl Castro, Parlamentsabgeordnete und Leiterin des Nationalen Zentrums für sexuelle Aufklärung (CENESEX). Ihr Programm versteht sie dabei ganz im Sinne der sozialistischen Revolution – ihr Motto lautet: „Nein zu Homophobie, ja zum Sozialismus!“
Von diesem Engagement und vor allem vom Leben von trans* Menschen auf Kuba, das auch geprägt ist vom Warten auf die geschlechtsangleichenden OPs, handelt Daniel Abmas feinfühliger Dokumentarfilm „Transit Havanna“. Clemens Sindelar hat mit dem Regisseur über Castros Bemühungen für die Belange von Trans* und die Dreharbeiten zum Film gesprochen.
Daniel, wie seid ihr überhaupt an Mariela Castro herangekommen?
Alex Bakker, mein Drehbuchautor, ist trans* Mann und kannte einen der holländischen Ärzte, der uns den Kontakt zusammen mit einem Empfehlungsschreiben vermittelt hat.
Geprägt vom Feminismus der Mutter
Mariela Castro ist ja in ihren 50ern und muss sich erinnern, dass es Zeiten gab, in denen sexuelle „Abweichungen“ mit Gefängnis und Lager bestraft wurden.
Ja, das räumt sie auch ein, und sie bezeichnet es als „historische Irrtümer“. Sie behauptet von sich selbst, dass sie stark vom Feminismus ihrer Mutter geprägt wurde, die wohl auch – das erzählt sie mit einem Augenwinkern – ihren Mann in ihr pädagogisches „Programm“ einbezogen hatte.
Findest du Mariela in ihrem Engagement glaubwürdig?
Ja durchaus. Ihre Organisation CENESEX ist vielseitig aufgestellt und umfasst zum Beispiel die Themen Gewalt in der Familie, sexuelle Gewalt gegen Frauen und eben auch Homophobie und Transgender-Fragen. Das macht sie zu einer sehr modernen Frau, und ihr Engagement ist glaubwürdig.
In deinem Film ist zu sehen, dass sie am Gaypride teilnimmt. Ihre Partei versucht, Homophobie und die Stigmatisierung von trans* Menschen als mit dem Ideal eines sozialistischen Menschen nicht vereinbar zu verkaufen. Wie kommt das in der Bevölkerung an?
Sie tut noch mehr. Sie benutzt ihren gesellschaftlichen Einfluss und produziert TV-Spots. Ihre Organisation arbeitet landesweit. Sie hat ihre Doktorarbeit zur Problematik von trans* Menschen geschrieben. Es scheint ein Lebensthema zu sein.
Trans* als Lebensthema
Ob ihre Botschaft ankommt, ist schwer zu sagen. Dieses Programm gibt es erst seit etwa acht Jahren. Oberflächlich wirkt es bestimmt. Homophobie und sexuelle Gewalt können zur Anzeige gebracht werden. Aber fragt man Menschen aus der Bevölkerung, ob sie ein trans* Kind wollen, sagen sie spontan „Nein, auf keinen Fall“ – auch wenn sie vorher treu der Parteilinie geantwortet haben.
Die Erzählung deines Films konzentriert sich vor allem auf die eine schicksalhafte Woche, innerhalb derer es für wenige Auserwählte möglich ist, sich kostenlos operieren zulassen. Wer wird denn überhaupt auf die Auswahlliste gesetzt und wie groß ist sie?
Das war uns nie klar. Die Kriterien wurden uns nicht transparent gemacht. Wir wissen nur, dass die Liste nicht sehr lang ist, sie hat circa 29 Bewerber_innen.
War eigentlich auch Sexarbeit während der Dreharbeiten ein Thema?
Ich wusste, dass viele anschaffen gehen, wollte das aber in meinem Film nicht zum Thema machen. Es ist so ein Klischee, zudem hätte es den Fokus von der mir wichtigen Haupterzählung abgelenkt.
Ich frage auch deshalb, weil es in deinem Film eine sehr schöne Szene gibt: Malu, eine der Protagonist_innen, sitzt mit ihren Freundinnen an der Kaimauer und räsoniert darüber, dass sie selbstverständlich, wenn die Gelegenheit günstig ist, „ihre Börse öffnet, damit am nächsten Tag ein Stück Fleisch auf den Tisch kommt“.
Ja, das war ein Glücksfall, und sie war ganz Herrin der Erzählung, als sie das berichtete; das wollte ich drin lassen.
Was waren denn eure stärksten Eindrücke während der Dreharbeiten?
Erst war es eine Art Betroffenheit über die Situation, in der sich trans* Menschen dort befinden, und dann kam sofort das Gefühl, sehr privilegiert gelebt zu haben. Mein Drehbuchautor Alex Bakker, Holländer wie ich, hat es auf die wunderbare Formel gebracht: „Ich bin zwar leider im falschen Körper geboren worden, aber Gott sei Dank im richtigen Land.“ Und dann gibt es da noch ein tiefes Mitgefühl für diese mutigen, vitalen Überlebenskünstler_innen.
Vielen Dank für das Gespräch und noch viel Erfolg mit deinem Film!
„Transit Havanna“ ist derzeit in den Kinos zu sehen.
Website zum Film: transithavana-film.de